Um sieben Uhr treffen wir uns zum Frühstück. Wie überall in Madagaskar dauert es, bis alle ihr Morgenmampf haben, die Küchen sind nicht so groß und eilig hat’s auch keiner. Irgendwann sind aber trotzdem alle mit Tee, Saft, Rühreiern und Baguette versorgt. Die Jungs verpacken derweil kunstvoll unser Gepäck in Planen auf den Dächern der sechs Toyota Landcruiser, mit denen wir ab jetzt unterwegs sein werden. Ich fahre mit Dimby, Antonella und Andrea – und darf dankenswerterweise den Beifahrersitz besetzen. Das freut vor allem meinen Magen sehr.
Der Weg ist lang. Sehr, sehr lang. Stundenlang fahren wir kurvige Straßen, deren Zustand aber recht gut ist. Maximal 80 km/h schafft man. Das Hochland ist enorm hügelig, so dass man eigentlich ständig eine super Aussicht hat. Leider ist unendlich viel gerodet worden. Vor 30 Jahren war die meiste Fläche noch Wald, heute ist alles kahl. Die riesigen kahlen Mondlandschaften stimmen mich nachdenklich und traurig. Soviel schönes Land verwüstet und es wird nicht einmal mehr genutzt. Gegen Mittag erreichen wir warme Gefilde mit mehr Bäumen – extrem warm! Trockenwald, 38°C im Schatten. Ich klebe von Schweiß, Sonnencreme und einer ordentlichen Ladung Anti-Brumm obendrauf.
Mittags halten wir an, damit vor allem unsere Jungs etwas essen können. Die Landcruiser stehen in der Einfahrt vor einem roten Gebäude, essen gehen die Jungs aber gegenüber. Heidi und Armin folgen ihnen zum Restaurant, die übrigen bleiben bei den Autos. Ich trinke eine Cola, ein besoffener Alter spricht uns auf Französisch an, bekommt von Thorsten aber nur auf Malagasy Antworten. Er verzieht sich schnell wieder. Thorsten heißt hier übrigens Tanala, mit seinem deutschen Namen kennt ihn auf Madagaskar kaum jemand.
Aus der Nachbarhütte schauen zwei kleine Jungs, die uns neugierig beobachten. Irgendwann muss ich aufs Klo und bekomme den Weg gezeigt. Ich öffne genau eine Tür, dann beschließe ich spontan, dass auch für mich diesmal das Buschklo hinter dem Gemüsegarten praktischer ist. Der „Klo-Qualitäts-Indikator“ schlägt zu. Beim Öffnen der Tür kommt mir nämlich ein Schwarm Fliegen entgegen, es riecht bestialisch nach Scheiße, selbige steht auch etwa fünf Zentimeter hoch auf dem Boden. Die Kloschüssel ist nur mit Mühe noch als solche zu erkennen. Das Freiluftklo dagegen bietet praktischerweise Löcher in der Wiese – man sollte nur nicht reinfallen – und einen netten Busch als Klopapier-Ersatz. Reicht. Im Gegensatz zu den Gräsern gestern ohne scharfkantige Blätter.
Unterwegs werden wir mehrfach von einem knallpinken Mercedes-Bus, natürlich ein Taxibrousse, überholt. Einmal rammt der Fahrer uns dabei fast, ein anderes Mal hängt er in der Kurve nur noch knapp auf zwei Rädern. Arme Irre.
47 Kilometer vor Ankarafantsika stoppen wir an einer Tankstelle. Ich lasse mir den Schlüssel für das Klo geben bzw. das Mädel von der Tanke schließt mir auf – nun kann ich schlecht das Klo nicht benutzen, auch wenn es wenig einladend ist. Draußen laufen junge Mädchen mit Blechschalen auf den Köpfen rum, auf denen in Fett frittierte Frösche geschichtet sind. Ich frage Dimby, ob man es essen kann – man kann, und schwupps esse ich meinen ersten Frosch. Dass die nach Hühnchen schmecken, ist tatsächlich nicht gelogen, sondern entspricht absolut der Wahrheit. Wenig später wird es schon wieder dunkel, es geht gegen 18 Uhr. Die Straße wimmelt inzwischen von Schlaglöchern, was aber für unsere Jungs kein Problem ist, dann fährt man halt im Gegenverkehr oder neben der „Straße“. Im Stockfinsteren kommen wir im Nationalpark Ankarafantsika an. Patrick und Tanala bauen die Zelte unter kleinen Hütten auf mit Beton eingefassten Sandkästen auf. Unsere Küchencrew ist schon vorgefahren und längst mit dem Abendessen beschäftigt. Der Campground hat eine offene Hütte (also ein paar Steine und ein Dach) als Küche und zwei weitere Hütten mit Bänken und einem langen Tisch. Quer hinter den Dusch- und Toilettenhäusern gibt es ein Restaurant, in dem wir aber kein einziges Mal essen, Naina und Eric kochen zu gut! Dafür kann man dort Bier, Cola und Wasser kaufen.
Zum Abendessen gibt’s dicke, kleine Würstchen (interessanter Geschmack, aber nicht so meins) und dazu wie immer Reis. Die Reste gehen großzügig an die Hunde des Parks, die ihre Fluchtdistanz innerhalb weniger Minuten von zehn Metern auf zehn Zentimeter verringern. Die Vierbeiner haben wohl auch etwas Nachholbedarf beim Kraulen – sobald ich dem etwas forscheren Rüden den Kopf gekrault habe, stellt er sich demonstrativ so hin, dass auch der Rest des Körpers massiert werden möchte.
Abends habe ich dann die erste Nahtod-Begegnung mit einer Huntsmen spider. Das dämliche, riesige Vieh sitzt ausgerechnet auf der Tür, als ich die Toilette verlassen will. Der Versuch, die Tür möglichst vorsichtig und langsam aufzumachen, schlägt fehl – das nette Tierchen springt wenige Zentimeter neben mir an die Wand und flüchtet. Was zumindest, sollte schon jemand geschlafen haben, alle nochmal geweckt hat. Zum Glück bleibt es die (fast) einzige Begegnung dieser Art auf der gesamten Reise – und das ist doch ein ziemlich guter Schnitt, find ich. Naja, danach beschließe ich auch kurzerhand, dass nachts die Büsche sicherer sind oder zumindest solche Bekanntschaften sparen.
Erkenntnis des Tages: Buschland ist was ganz Feines, und man sollte nicht nach allzu vielen Toiletten auf Madagaskar fragen.
Ein Gedanke zu „Madagaskars Toiletten“