Die ganze Nacht ging es mir ziemlich bescheiden. Kreislauf, Magenkrämpfe, Übelkeit – die späte Rache des Frosches? Keine Ahnung. Morgens geht es wieder, aber schwindelig ist mir immer noch. Aber zumindest kann ich sagen, dass die Sterne über Ankarafantsika der Wahnsinn sind – Zeit genug, die zu beobachten, hatte ich heute Nacht ja.
Zum Frühstück gibt es in sehr kleinen Pfannen mühselig und zeitaufwändig frittiertes Baguette, Makasoaka, sowas wie „arme Ritter“ – das viele Fett hilft erstaunlicherweise, den aufgebrachten Magen zu beruhigen. Ich gehe heute mit Andrea, Anto und Dimby eine „gemütliche“ Runde sechs Kilometer um den See. Eine Gruppe wird den See Ravelobe gegenläufig umrunden, die dritte geht in die Ambalabongo-Schlucht.
Es ist unsäglich heiß. Wir laufen die Straße nach links hoch, vorbei an vielen Holzständen, auf denen ordentlich aufgereiht Plastikflaschen mit Mango- und anderem Obstsalat angeboten werden. Irgendwann biegen wir nach rechts in Richtung des Sees auf einen rotsandigen Pfad ein, vorbei an einem Warnschild, das auf die Krokodile des Sees hinweist. Die letzten Jahre hat es wohl auch einige Menschenopfer gegeben, wenn die Leute sich zu nah an den See gewagt haben. Der Weg führt links am See entlang, zuerst an vielen Steinen, die zur Regenzeit vollständig überschwemmt sind. Wir finden ein Furcifer oustaleti-Männchen.
Die „nur“ sechs Kilometer ziehen sich unendlich. Nicht nur, dass Andrea und Anto extrem langsam laufen (direkt zu Beginn begegnen wir bereits der anderen Gruppe, die den See schon komplett umrundet hat), das Laufen ist unglaublich anstrengend. Ich bin mehrheitlich mit Atmen und Füße voreinander setzen beschäftigt. Der Kopf brummt, ich hab ein nasses Handtuch im Nacken und trinke mehrere Liter Wasser, sobald wir mal kurz ganz stehenbleiben… hat alles wenig Nutzen, mein Kreislauf hat keine Lust mehr. Letztlich geht es aber doch irgendwie und den See und den Trockenwald drumherum kann man eigentlich nur genießen. Der See ist zu großen Teilen mit Wasserhyazinthen bewachsen – eigentlich eine elende eingeschleppte Pest, aber irgendwie ist der rosa Blütenteppich auch wunderschön. Drumherum ist das Ufer extrem dicht bewachsen. Croc paradise! Der Weg führt teilweise bis einen halben Meter an den See heran, Krokodile sehen wir aber nur in der Ferne schwimmen. Trotzdem wird auf jede Bewegung im Wasser geachtet.
Auf dem Rundgang finden wir einige Mimophis mahfalensis, die sich geduldig als Fotomodell zur Verfügung stellen, ein Furcifer rhinoceratus-Weibchen und immer wieder kreuzen neugierige Schildechsen den Weg. Die Schildechsen sind kaum scheu und vielen kann man sich bis auf wenige Zentimeter nähern. Bei einem Zwischenstopp an einer Hütte finden wir große Trichonephila in ihren Netzen. Die Spinnenfäden sind so dick und stabil, dass man mit den Fingern daran zupfen kann, ohne dass sie kaputt gehen. Rechts und links der Hütte stehen zwei Holzstatuen, die König Radama mit einem Krokodil zeigen. Lac Ravelobe ist fady, das heißt heilig. Die Krokodile verkörpern die Wiederauferstehung des Königs (oder so) und werden sogar einmal im Jahr bei einem großen Fest gefüttert. Sie dürfen nicht getötet werden und haben sich daher auch von 2001, wo gerade mal 70 Tiere gezählt wurden, bis heute auf geschätzt einige hundert Individuen vermehrt. Anto, die tatsächlich in fast jedes Astloch guckt, entdeckt unter einem umgefallenen Baumstann eine große Acrantophis madagascariensis. Leider kriegen wir sie nicht aus dem Loch herausgelockt – so ein Kaninchen wär jetzt super. In einem großen Baum entdecken wir außerdem einen Blaesodactylus ambonihazo, der allerdings beim ersten Blitzen schon wieder tiefer in den Baum verschwindet.
Auf der anderen Seite des Sees stehen noch zwei Baobabs, die letzten beiden ihrer Art. Ein dritter ist in diesem Jahr von einem Zyklon gefällt worden. Unglaublich, mit welcher Kraft der Wind diesen Baumriesen aus dem Boden gerissen haben muss. Der Rundgang um den See führt am Ende über eine ganz kleine, kurze Hängebrücke über einen kleinem Fluss. Dann geht es auf einem Holzsteg durch Reisfelder. Zu guter Letzt laufen wir ein Stück Straße zurück und sind wieder auf dem Campground. Kaum dort angekommen, finden wir ein paar Coquerel-Sifakas, die sich auf den Bäumen direkt auf dem Gelände niedergelassen haben. Sie sitzen gerade mal zwei Meter über unseren Köpfen – und auch noch so, dass man sie perfekt fotografieren kann. Wer da letztlich wen beobachtet, ist nicht so ganz klar.
Die Gruppe, die aus der Schlucht zurückkommt, ist ziemlich hinüber. Bei guten 40°C in der Ebene und 12 Kilometer Marsch sind alle an ihre Grenzen gekommen. Nachdem mein Kopf immer noch nicht ganz einverstanden mit dem hiesigen Klima ist, werde ich wohl morgen lieber nochmal um den See als mit in die Schlucht wandern. Zum Abendessen gibt’s Brochettes (Spieße) mit Thunfisch-Spaghetti und selbst gemachten Pommes von Eric und Naina. Später fallen wir mit etlichen Bier und Rum bei den Jungs in der Küche ein, was mit Englisch, Deutsch, Malagasy und Händen und Füßen zur Verständigung ein echt lustiger Abend wird. Nein, das Niveau vermisst hier garantiert keiner!
Ein Gedanke zu „Die Rache des Frosches“