Die Spinne ist morgens – zu meiner großen Erleichterung – nicht aufzufinden. Die Decke habe ich bewusst nicht abgeleuchtet und auch unter dem Bett hab ich nicht nachgesehen. Da ich sowieso früh wach bin, stehe ich direkt auf und sortiere mit spitzen Fingern meinen gesamten Rucksack auseinander. Wäre ja noch schöner, wenn ich so ein achtbeiniges Mitbringsel auch noch durch die Gegend befördere! Also fliegt nach und nach jedes als „spinnenfrei“ eingestuftes Gepächstück auf die Veranda, damit ich es dort eine Stunde später wieder einzeln in den leeren Rucksack einpacke.
Nach dem letzten Frühstück im Hotel Baobab brechen wir gemütlich nach Ambilobe auf. Vorher wird gezahlt, und meine Rechnung beläuft sich – hüstel – auf immerhin 290.000 Ariary. Zum Vergleich: Die Rechnungen der Pärchen der Gruppe liegen alle bei rund 300.000 Ariary. Für zwei Personen. Dumdidum…
Unser erster Stop auf der Reise liegt etwa drei, vier Kilometer vor Ambanja in einer Kakaoplantage. Die man möglichst nicht betritt, aber auch am Rand gibt es einiges zu finden. Wunderschöne Furcifer pardalis-Männchen – und nicht nur eines! Der nächste Halt zur Chamäleonsuche ist am Ortsausgang von Beramanja. Die Straße ist gut befahren und ein um’s andere Mal muss man zur Seite springen, wenn wieder ein lebensmüder LKW-Fahrer oder ein Taxibrousse vorbeibrettert. Danach gibt’s nur noch eine Pinkelpause irgendwo im Nirgendwo vor Ambilobe.
In Ambilobe gibt es erstmal Mittagessen auf der Veranda eines kleinen Restaurants. Was über zwei Stunden dauert, mein Zebu muss wohl erst geschlachtet werden (naja gut, sie haben’s vergessen – was bei dem dort vermutlich extrem seltenen Ereignis von über 15 Gästen gleichzeitig wohl nicht zu vermeiden war – irgendwen musste es ja treffen). Aber mein Hunger wird bestens durch Spaghetti, Reis und Pommes meiner Tischnachbarn gedeckt. Immerhin lerne ich heute auch, dass man einen ganzen Teller Zebusteak samt dazugehörigen Pommes sauté in weniger als zwei Minuten problemlos vertilgen kann – wenn er erstmal da ist.
Wir landen im Noor-Hotel, wobei das zweite O einen Stern darstellt, weshalb ich erstmal dachte, es hieße Noir-Hotel. Das hätte so im Nachhinein betrachtet besser gepasst. Es stellt sich als ziemliche Katastrophe heraus, aber im Nachhinein war das mit viel Bier und gesundem Humor eine der lustigsten Stationen unserer Reise. Durch ein hohes grünes Tor zwischen weißen Steinwänden gelangt man in den Innenhof. Direkt links noch unter einer Art Vordach steht ein hölzerner Schreibtisch, gegenüber stehen ein kleiner Tisch und zwei Bänke mit grünen Polstern. Das scheint sowas wie die Rezeption zu sein. Die Angestellten aber scheinen sehr wenig Interesse an Gästen zu haben, könnte aber auch am massiven Katkonsum liegen. Jeder hat einen Tischtennisball im Mund. Ab und zu wechselt das grüne Zeug mal die Backe, aber sonst machen die damit nicht viel. Und auch sonst machen die nicht viel. Glotzen vor allem, bevorzugt durch andere Leute durch. Und sie wanken so einher. Und auf dem winzigen Fernseher gucken sie komische Serien. Falls sie es überhaupt hören und sehen, da kann man sich nicht so sicher sein.
Letztlich bekommen wir aber alle unsere Schlüssel. Ich habe ein Zimmer oben. Die Stufen nach oben sind natürlich nicht EU-Norm, weshalb man ziemlich nach oben eiert und beim Runtergehen aufpassen muss, dass man sich nicht aus Versehen trotz Vorsicht auf die Fresse legt. Eine der Stufen fall ich jedes Mal mehr als dass ich sie gehe, weil sie gefühlt hüfthoch ist. Geländer gibt’s natürlich nicht, wozu auch? Die fußhohe Mauer muss langen. Mein Zimmer ist so ziemlich das beste. Es gibt zwar kein Moskitonetz, aber die Klimaanlage funktioniert! Ich kühle direkt mal auf 24°C. Ist das geil. Draußen läuft man zwar wieder wie gegen eine Wand, aber wen stört’s, ich hab eine funktionstüchtige Klimaanlage! Und das Bett ist auch ganz bequem. Solange man allein ist, dann schläft man einfach sehr mittig in einer tiefen Kuhle.
Okay, vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass meine Dusche erst nicht aufzufinden war, ich aber dann sowas wie einen Duschschlauch in einer Ecke des Bades hinter einem blauen Eimer gefunden hab. Dusche ist quasi das ganze Bad in einem, sehr praktisch das. Ist auch gut durchdacht, denn es kommt so wenig Wasser aus dem Schlauch, dass es nicht mal bis zum zwanzig Zentimeter entfernten Waschbecken reicht. Man darf halt nicht soviel Shampoo benutzen, wer weiß ob das wieder rausgeht aus den Haaren… Pluspunkte: Mein Klo funktioniert und ich hab einen Spiegel im Bad. Na gut, die Decke kommt runter und hängt etwa 50 cm zu tief, der Ventilator funktioniert leider auch nicht. Die Geckos halten aber alles ungezieferfrei. Zumindest solange ich hin gucke. Etwas doof ist, dass meine Tür kein richtiges Schloss hat, nur einen kleinen, schmalen Riegel. Und unten so ein Spalt (also… ein ziemlich großer) offensteht. Aber ich wollte schon immer mal eng umschlungen mit meinem Fotorucksack schlafen, warum nicht hier? Also schlafen – bis die Klimaanlage wegen der sechs, sieben Stromausfälle in der Nacht jedes Mal wieder angeschaltet werden will. Mein eigenes Unterhaltungsprogramm hab ich auch: Pünktlich morgens um Vier fängt der Muezzin nebenan zu brüllen. Und nebenan trifft es nicht so ganz – es klingt eher, als stünde er IN meinem Bett. Hätte ich irgendwo ein Fenster, ich würde es aufmachen und zurück brüllen.
Tanala hat ein Gefängniszimmer im Hinterhof erwischt. Nach lauten Beschwerden kriegt er ein anderes, aber auch da gibt’s keine Klimaanlage. Also geben tut’s sie schon, aber funktionieren tut sie halt nicht. Moskitonetz hat er auch eins, das hängt halt nur auf der gegenüberliegendem Raumseite zum Bett und ist daher eher weniger nützlich. Und selbst wenn es auf der richtigen Seite hängen würde, wäre es zu klein.
Lore und Stefan haben leider gar keine Klimaanlage und das Klo funktioniert erst nach vielen Beschwerden, langem Lamentieren und immerhin fünf Leuten, die lange auf das kaputte Klo starren und nichts tun, bevor sie es – sehr langsam, aber immerhin – reparieren. Die beiden haben den Raum direkt in der Ecke rechts, vor der Hollywood-Schaukel. Martin wohnt daneben, auch bei ihm wird das Klo erst nach viel Lamentiererei und langem „Reparieren“ funktionsfähig. Der Schlauch, der die Klospülung bedienen sollte, endet erstaunlicherweise statt im Klo in einem Eimer. Womit geduscht wird, ist eher unklar. Aber zumindest kann man gleichzeitig pinkeln, Zähne putzen und „sowas wie“ duschen. Das hat doch auch was! Klimaanlagen und Moskitonetze werden sowieso überbewertet. Und Stefan und Lore haben sogar Rüschen am Bett. Wir richten uns für ein, zwei Stündchen mit THB im Hof um die Hollywood-Schaukel ein. Gegen 19 Uhr geht es zu einem Restaurant direkt an irgendeiner Straße mitten in Ambilobe. Naina und Eric überwachen mit Daddy zusammen das Grillen der morgens vorbestellten Brochettes. Dazu gibt es eine Schale mit Gurkensalat-ähnlichem Inhalt, der vermutlich nicht abgekocht wurde. Die Spieße schmecken damit trotzdem bestens. Zäh, aber sehr lecker. 40 Spieße schaffe ich übrigens.
Zurück im Hotel beobachten wir interessiert, wie immer wieder Pärchen ins obere Stockwerk gehen. Meist kommt nur eine Person zurück – ist das hier sowas wie ein madagassischer Puff? An allen Hotelwänden sind Unmengen kleiner, heller Geckos. Sobald es dunkel wird und die paar vorhandenen Glühbirnen angeschaltet werden, fressen sie sich an den angelockten Mücken fett. Beim Fotografieren der Geckos muss man halt nur aufpassen, dass nicht soviel Schimmel im Bild ist.
Jedenfalls: Ambilooooooobeee dürfte noch lange ein geflügeltes Wort unter den Bewohnern des Noor-Hotels bleiben. Schade, dass wir keine T-Shirts vom Hotel gekauft haben. Da könnte man überall gleich am Grinsen erkennen, ob derjenige schonmal in der Kat-Zombie-Metropole Ambilobe übernachtet hat.
4 Gedanken zu „Von Kat-Zombies und einem Muezzin“