Nordosten 2014

Ich habe eine Jackfruit getragen

Schilderwald vor Andasibe
Schilderwald vor Andasibe

Auch heute startet der Tag mit Baguette und Honig. Um neun wollen wir schon los zum Supermarkt, um die Gruppe für die Fahrt nach Andasibe auszurüsten. Ich decke mich mit kleinen Rosinenbrötchen und Schokocroissants ein. Danach geht es wieder zurück nach Andasibe, vorbei an der amerikanischen Botschaft (viel protziger kann man ein Gebäude in einem Entwicklungsland kaum bauen), dem Zebu-Markt und dem großen Taxibrousse-Bahnhof. Am Straßenrand stehen Berge von handgemachten Ziegelsteinen. Zu Hunderten und Tausenden werden sie übereinander geschichtet. Zum Schluss entzündet man innen ein Feuer, um die Ziegel zu brennen. Kinder und Erwachsene laufen am Straßenrand, meist barfuß, mal verfolgt von einem räudigen Hund, mal ein Zebu oder eine Ziege vor sich hertreibend. Wie schon vorgestern halten viele Baustellen uns auf. Bei einer größeren hat sich ein Arbeiter inzwischen sein eigenes Werkzeug erfunden: Mit einem orange-weißen Pylon schöpft er Kies von einem großen Kiesberg, um ihn dann ein paar Meter weiter in ein Schlagloch zu leeren.

Am gleichen Restaurant wie auf dem Hinweg machen wir Halt, um eine Kleinigkeit zu essen. Diesmal verzichte ich auf Reis und Huhn, stattdessen laufe ich draußen kleine, leckere Bananen und ein paar Mispeln auf der Straße. Und eine herrlich duftende, gelbe Ananas. Daddy kauft zeitgleich größere Bananen ein paar Meter weiter, und so gibt es gleich doppelten Bananennachtisch für alle.

Ich und die Jackfruit
Ich und die Jackfruit

Viele, viele Obststände lassen wir hinter uns. Irgendwann hält Christian am Straßenrand – ich hatte gesagt, dass ich unbedingt noch eine Jackfruit kaufen müsse. An drei nebeneinander stehenden Ständen aus Holz gibt es Zimtäpfel, Bananenstauden, Ananas – und Jackfruits. Die kiloschweren, stacheligen Früchte liegen auf Holzbohlen, und die alte Frau hinter dem Stand sagt, alle seien reif. Leider hab ich davon keine Ahnung. Dimby klopft geschäftig auf den riesigen Früchten herum, aber er weiß auch nicht so wirklich, ob die Dinger reif sind. Letztlich glaube ich der Verkäuferin einfach. Sie möchte 2000 Ariary für das Riesenteil, ich habe aber nur einen 5000er-Schein dabei. Da ich den Preis eh sehr günstig finde, drücke ich ihr den Schein in die Hand und sage „Das geht in Ordnung so“ auf Madagassisch. Für knapp zwei Euro erstehe ich also eine etliche Kilo schwere Jackfruit. Den weiteren Weg rollt sie im Fußraum des Busses hin und her, und stößt immer wieder mit einem dumpfen „Pflump“ gegen die Tür. Ich hoffe mal, sie ist stabil genug. Die Tür.

Ein paar Kilometer vor Andasibe bremst Christian scharf. Er hat ein Calumma brevicorne-Männchen in einem Baum entdeckt. Wie genau er das Tier mitten im Fahren auf dem Baum entdeckt hat? Tja, das wüsste ich auch gern. Wir steigen also aus, angeln das hübsche Männlein mit einem Ast von seinem Platz und bewundern es ausgiebig. Später darf es auch genau dort weiterlaufen, wo es herkam.

Zurück im Hotel sind wir ein paar Bungalows weitergezogen und bewohnen nun Nr. 102. Unter der Terrasse bietet sich ein merkwürdiger Anblick: Die gesamte Wiese am Lauf des kleinen Flusses ist umgegraben, die Wiesenstücke liegen sorgsam ausgestochen auf einem großen Haufen neben dem braunen Erdreich. Einer der beiden Hotelchefs überwacht mit scharfen Augen die Arbeiten, und tatsächlich werkeln alle auch sehr geschäftig. Das hört abrupt auf, als der Chef wieder außer Sichtweite ist. Ich frage ein paar der Hotelleute, was aus dem ehemaligen Stück Wiese werden soll – keiner weiß es so richtig, angeblich soll der Boden nur um 10-20 cm erhöht werden. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen? Um mir die Zeit zu vertreiben, suche ich die Hecken nach Tieren ab und werde fündig: ein junges Calumma emelinae, wirklich ein Winzling, krabbelt zwischen den Ästen vor einem der Bungalows herum. Das Parsons-Mädchen vom Vortag sitzt immer noch an der gleichen Stelle in der Hecke, nur wenige Meter weiter. Irgendwann fängt es an zu tröpfeln, und plötzlich spannt sich ein wunderschöner Regenbogen über die Bäume des Regenwaldes.

Mantide
Eine kleine Mantide am Abend

Nach dem Abendessen geht es erneut auf die Straße Richtung Andasibe. Diesmal fällt ein feiner Nieselregen, weshalb ich auf etwas mehr Amphibien hoffe. Leider lässt mich das Glück im Stich, diesmal sind nicht einmal die kleinen Babyfrösche zu finden. Um es genau zu nehmen, ist kein einziger Frosch aufzufinden. Irgendwas ist hier kaputt. Oder das Wetter wirklich zu trocken und zu kalt. Es zieht nämlich ganz ordentlich inzwischen, und statt Top oder T-Shirt bin ich im dicken Pullover unterwegs. Ein trächtiges Calumma brevicorne-Weibchen schläft auf einem Ast nahe der Schranke des Hoteleingangs, und ich finde langsam Gefallen an den vielen Insekten. Sonst gibt es aber gerade auch wenig zu fotografieren. Als ich und Tanala zurück zum Hotel wandern, ist im Restaurant schon alles dunkel, die Hotelangestellten sind längst schlafen gegangen. Das werde ich jetzt auch tun.

Veröffentlicht von Alex

Alex ist 35 Jahre alt, wohnt in der Nähe von Mainz und ist im echten Leben fernab des Urlaubs Tierarzt mit Faible für Reptilien. Sie fotografiert und reist gerne - so entstand auch dieser Blog. Nebenbei hält sie selbst Chamäleons zu Hause, schreibt an wissenschaftlichen Veröffentlichungen, betreibt ein kostenloses OnlineMagazin und erstellt Malbücher für madagassische Kinder.

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