Der Tag beginnt selbst für Madagaskar extrem früh. Um Vier stehe ich auf und stehe kurz darauf mit fertig gepackten Sachen auf den Stufen vor dem Raphia. Selbst der Nachtwächter wundert sich, das große Tor ist noch verschlossen. Dimby und seine Mutter sind sogar schon seit zwei oder drei Uhr auf den Beinen. Sie holen Tanala und mich in einem kleinen Bus ab und fahren zum Flughafen. Heute geht es in den Norden, genauer gesagt nach Maroantsetra, über Tamatave. Dort treffen wir morgen auch auf die übrige Reisegruppe, mit der wir die Nordost-Tour machen.
Schon am Flughafen von Tana gibt es die ersten Probleme. Air Madagascar erlaubt 20 kg Gepäck. Bei meinem Gepäck ist alles noch in Ordnung, auch wenn es viermal gewogen und kritisch beäugt wird. Meine Tasche hat 21,9 kg, mein Handgepäck, 7,8 kg. Passt doch. Tanala und Dimby haben allerdings noch etliche Zelte dabei, denn ohne Zelte wird es schwierig mit Camping. Sie haben zusammen 47 kg, und das ist der dicken Frau am Schalter dann zuviel. Sie will die Zelte nicht als Gepäck aufgeben. Das kommt gar nicht in die Tüte! Zum Glück vermittelt Dimby mit seiner unglaublichen Diplomatie und enormer Höflichkeit, die mir bei der Frau längst abhanden gekommen wäre. Nach einer guten halben Stunde Diskussion – hinter uns hat sich bereits eine sehr lange Schlange gebildet – und ewigem die-dicke-Frau-starrt-einfach-mit-offenem-Mund-in-die Luft zahlt Tanala ganze acht Euro für Übergepäck.
Als ich über das Rollfeld laufe, verstehe ich dann die Diskussion ums Gepäck. Die angebliche ATR entpuppt sich als Twin Otter. Und die kleine Maschine ist bis auf den letzten Platz besetzt. Soweit ich das mitbekomme, müssen einige Gepäckstücke da bleiben, sie werden heute Abend nach Toamasina (Tamatave) geliefert. Was acht Euro so alles ausrichten können… Der Flug nach Tamatave verläuft prima. Die Twin Otter fliegt keine Viertelstunde später bereits nach Mananara weiter. Angeblich. Zwei Anzeigetafeln im Warteraum zeigen den Text „this is a demo program“ und alle paar Minuten steht „JUMP… JUMP“ auf der Tafel. Da hat wohl jemand die Anzeigentafel nicht so ganz fertig konfiguriert. Überhaupt ist der Flughafen von Tamatave ein bisschen schräg und schäbig, ein Labyrinth aus Glas, Plastik und Chaos. Über dem Air-Madagascar-Counter hängt ein uraltes Schild, dessen Farbe völlig ausgeblichen ist.
Schon zwei Stunden später ist die gleiche Twin Otter wieder in Tamatave, um uns für den Flug nach Maroantsetra einzusammeln. Jetzt geht es zügig – kaum eine halbe Stunde vergeht bis zum Abflug. Es ist der gleiche Flieger, der uns von Tana nach Tamatave gebracht hat, mit dem gleichen Pilot und der gleichen Copilotin. Wir umfliegen ein paar Gewitterwolken ohne nennenswerte Turbulenzen. Dadurch, dass die Twin Otter so schön tief fliegt und das direkt entlang der Küste, kann man richtig toll rausschauen und die Landschaft bewundern. Es zieht allerdings wie Hechtsuppe im Flieger. Die Copilotin hat wehende Haare, und ich habe schon den zweiten Pulli übergezogen.
Die Tür zum Cockpit ist offen, und ich sitze am Notausgang, so kann ich unsere Crew bestens beobachten. Hätte ich mal lieber gelassen. Denn die Landung soll die Copilotin übernehmen, die scheinbar etwas zu klein für den Sitz ist oder das noch nicht so oft gemacht hat. Oder beides. Hektisch zieht und zerrt sie an allen möglichen Hebeln und Schaltern. Dann ertönt ein lauter, langer Warnton. Ups? Aber nichts passiert, außer dass die kleine Maschine etwas ruppig auf der Buckelpiste landet. Seit letztem Jahr hat sich an der winzigen Landebahn nichts verbessert, und auch der Flughafen ist völlig unverändert. Der Mann, der auch unser Boot fahren soll, holt uns vom Flughafen ab. Leider weiß ich seinen Namen nicht mehr. Alles Gepäck – auch die Zelte sind unversehrt angekommen – wird in den weißen Bus geladen. Vorne trägt der Bus den Schriftzug „La Vivanette“. Ich fühle mich gleich wieder wohl hier. Endlich wieder freundliche, schon von Weitem lächelnde und winkende Menschen, mehrheitlich saubere Häuser und Hütten (der Müll sammelt sich eher hinter den Hütten) und keine völlig verwahrlosten Kinder. Die Luft ist warm und feucht, aber definitiv besser als im kühlen Tana.
Im Coco Beach wird erst einmal entspannt. Essen und Getränke brauchen eh etwas länger, die in schicke weiße Schürzen und Hütchen gekleideten Mädchen vergessen jede Bestellung nach zwei Schritten wieder. Das macht mir hier genau gar nichts aus. Mora, mora! Ich schleiche ein wenig um die Ravenalas im Garten neben dem Restaurant herum. Einige kleine Taggeckos flitzen über die Stämme und Blätter.
Tanala und ich haben diesmal ein Bungalow namens „Canelle“ (übersetzt Zimt), das näher am Fluss liegt. Es ist ähnlich mit dunklen Möbeln ausgestattet wie die anderen, aber deutlich größer und hat eine kleine Veranda, auf der man Handtücher und nasse Kleidung trocknen kann. Innen trumpft es sogar mit einem kleinen Kühlschrank auf, huiuiui. Und es gibt eine Klimaanlage, auch wenn die nicht angeschaltet ist. Dimby hat die „Ananas“, unser Bungalow vom letzten Jahr, samt dem Nachwuchs der letztes Jahr darin wohnenden Spinne bekommen. Obwohl er die noch nicht gesehen hat. Was nicht ist, kann ja noch werden.
Am Nachmittag treffen wir uns mit unserem Guide Augustin und Madame Sandra, unserer Köchin auf Nosy Mangabe. Es geht um Lebensmittel, Getränke, Einkaufskosten, Ablauf unseres Aufenthalts auf der kleinen Regenwaldinsel. Alles will sorgfältig geplant sein, aber wie das auf Madagaskar so ist, reichen telefonische Infos einfach nicht aus. Also gehen wir sicherheitshalber nochmal alles durch, und nutzen die Gelegenheit für einen kleinen Umtrunk. Als es dunkel wird, beginnt es ein wenig zu tröpfeln. Der beige Hund von letztem jahr ist wieder da, er sieht wesentlich gesünder aus als im Vorjahr. Nur sein Schwanz hat jetzt eine merkwürdige Stelle, an der die Wirbel plötzlich in einer anderen Richtung weitergehen… der war wohl mal gebrochen. Zum Abendessen bestelle ich die altbekannte Knoblauch-Pizza mit Hackfleisch – eine etwas merkwürdige Kombi, aber durchaus schmackhaft. Dazu gibt es literweise Ananassaft. Herrlich. Erinnerungen an letztes Jahr kommen zurück. Ob Nosy Mangabe auch diesmal so paradiesisch sein wird?