Früh am Morgen bin ich auf den Beinen. Es hat über Nacht geregnet, aber der Himmel ist mehrheitlich blau mit nur kleinen, weißen Wölkchen. Im Restaurant mit der großen Spiegelwand bestelle ich ein Sandwich, und auch die anderen trudeln nach und nach zum Frühstück ein.
Als alle ihre Teller und Gläser geleert und an der Theke die Spesen beglichen haben, brechen wir auf. Christian lenkt den Bus aus Ambositra heraus und entlang der RN7 Richtung Süden. Wieder leuchten die Reisfelder des Hochlandes, ich kann mich gar nicht sattsehen an den grandiosen Farben. Irgendwo im Nirgendwo halten wir an. Hier hat Dimby kürzlich Calumma crypticum gefunden, obwohl sie hier gar nicht vorkommen sollten. Der „Wald“, in dem sie leben sollen, ist allerdings ein maximal 50 Meter Streifen dünner, nicht besonders hoher Bäume. Auf der anderen Seite des Baumstreifens sind kahle Felder, Baumstammstümpfe zeugen von kürzlicher Rodung. Tatsächlich findet Dimby ein kleines, junges Calumma crypticum, und wenige Meter davon entfernt ein ausgewachsenes Weibchen. Wenig später erspäht Christian ein farbgewaltiges Männchen weiter oben an der Straße, und bringt auch gleich noch ein Calumma nasutum mit eigentümlich blauer Nase mit. So schöne Farben habe ich noch an keinem Calumma crypticum gesehen. Das Männchen leuchtet in der Sonne geradezu in Blau und gelb. Die blauen Beine, wegen der die Art im Englischen blue legged chameleon heißt, kommen bei diesem Tier super zur Geltung. Nachts in Ranomafana sieht man sie eher Braun-Grau und Blau sucht man eher vergeblich. Schade nur, dass die kleine Population hier wahrscheinlich verschwunden sein wird, bevor irgendjemand sie genauer untersuchen kann. So wie das kleine Wäldchen aussieht, dürfte nächstes Jahr nichts mehr davon übrig sein.
Eine Frau mit einem lila Bastkorb läuft barfuß an uns vorbei und bleibt neugierig stehen, um zu schauen, was wir da im Gebüsch machen. Ein kleiner Junge, vermutlich ihr Sohn, trägt stolz einen Ast auf der Schulter spazieren – ähnlich den Männern, die hier die Bäume abhacken und Brennholz transportieren. Der kleine Junge ist sehr schüchtern. Ines drückt ihm ein kleines Spielzeugauto in die Hand, und da beginnt sein Gesicht zu strahlen. Direkt lässt er seinen Stock liegen und fährt mit dem Spielzeugauto am staubigen Straßenrand entlang. Wie einfach man hier Kinder glücklich machen kann.
Wenig später zieht ein süßlicher Duft durch die offenen Fenster des Busses. Kurt, der über 80 ist und trotzdem fitter als so manch anderer der Gruppe, erkennt den Geruch als Duftgeranie. Wir halten an einer Art Destillerie, wo eine Menge Betsileo mit ihren typischen runden Hüten arbeiten. Aus den vom benachbarten Geranienfeld geernteten Pflanzen stellen sie in einem einfachen Verfahren ein Öl her, dass man für Parfüms und Seife verwenden kann. Eine Menge Brennholz stapelt sich am Straßenrand. Natürlich dürfen wir Fotos machen, aber der intensive Geruch treibt uns bald wieder zurück in den Bus.
Kurz bevor wir nach Ranomafana abbiegen, wird die Straße sehr schlecht, eigentlich ist sie gar nicht mehr vorhanden. Über zweihundert Meter rumpeln wir über eine hügelige Erdpiste. Erstaunlicherweise ist die Straße dahinter wieder weitestgehend intakt. An einem Aussichtspunkt stoppen wir für ein paar Landschaftsfotos – die Aussicht ist auf Grund des guten Wetters toll. Man kann kilometerweit über Reisfelder und rote Häuschen schauen, der Horizont wird nur von einer Bergkette begrenzt.
Erst als es dunkel wird, kommen wir zu den Serpentinen, die nach Ranomafana führen. Der Regenwald ragt gespenstisch rechts und links der engen Straße auf. Farne wischen in engen Kurven am Bus entlang, hier und da hat es kleinere Erdrutsche gegeben. Noch eine Kurve, noch eine, und noch eine. Das Dorf von Ranomafana liegt im Dunkeln, als wir es passieren. Nur kleine Feuer und einzelne Lampen beleuchten hier eine Hütte und da ein Haus. Plötzlich halten wir an: Dimby hat einen Karenjy direkt vor uns entdeckt. Es ist die einzige Automarke, die auf Madagaskar hergestellt wird, und fast alles wird dabei von Hand gemacht. Ich steige aus, um eilig ein paar Fotos zu machen. Der stolze Fahrer erzählt gleich eine Menge Informationen zu dem klobigen Auto, das ein bisschen wie eine grün angemalte Mischung aus Seifenkiste und Lego-Auto aussieht. Schließlich werden nur ganz wenige pro Jahr hergestellt, und die Käufer müssen lange auf ihren Wagen warten.
Der Bus hält vor einem duster beleuchteten Hotel, bzw. dem dazugehörigen Restaurant. Die Bungalows des „Manja“ liegen am steilen Hang hinter dem Hotel. Dimby verteilt die Schlüssel, Tanala und ich haben das gleiche Bungalow wie letztes Jahr. Es ist ziemlich weit oben. Wieder ist der kleine, alte Mann im grau ausgewaschenen Blaumann und Adiletten da, der gleich zwei Koffer gleichzeitig die vielen Stufen nach oben trägt. Der ist wirklich fit. Ich schnaufe schon vom einmaligen Erklimmen des Anstiegs zum Bungalow. Und damit sich das Fotorucksack-hin-und-her-schleppen auch wirklich lohnt, geht es nach dem Abendessen nochmal auf die Straße. Oder naja, an die Hecken vor dem Hotel. Da finden sich nämlich meist ein paar Frösche, und auch heute werde ich nicht enttäuscht. Dimby findet schnell ein paar hübsche Tiere, die sich gerne ablichten lassen, um dann wieder auf ihre Pflanze zurückgesetzt zu werden.