Zu meinem großen Erstaunen geht es meinem Kopf heute Morgen erstaunlich gut. Mir ist etwas schwindelig, aber bei den Mengen Rum, die gestern geflossen sind, hätte ich eher mit Übelkeit und Schlimmeren gerechnet. Kann ja doch nicht so viel Alkohol im Ananasrum gewesen sein. Als Tanala und ich beim Frühstück auftauchen und uns zu Ines, Markus und Chrissi an den Tisch setzen, wird hinter der Bar vielsagend gegrinst. Olivier schläft wohl noch, den haben die drei Gläschen wohl umgehauen. Bruno sieht auch nicht so frisch aus wie sonst. Zum Verabschieden schaffen es aber doch alle an den Bootssteg.
Das Boot bringt uns heute nicht zurück nach Manambato, sondern in die entgegensetzte Richtung nach Toamasina (französisch Tamatave). Durch diverse Seen schippern wir entlang des Canal des Pangalanes auf dem ruhigen Wasser. Viele Fischreusen stehen im Wasser, die meisten hängen aber unbenutzt zum Trocknen auf Pfählen. Ab und zu begegnen uns vollbeladene Boote oder vielmehr Floßkonstruktionen, auf denen Männer Baumaterial für Hütten, vor allem für Dächer, transportieren. Sobald wir einem der Flöße oder einer Piroge begegnen, drosselt unser Bootsfahrer das Tempo, um nicht zu hohe Wellen zu produzieren. Übrigens hat jemand heute seine ollen Gummistiefel ganz vorne ins Boot gestellt. Die stinken erbärmlich, und bei jedem Windhauch trägt es den Gestank einmal über das ganze Boot. Der Besitzer der Gummistiefel schläft derweil.
Je näher wir Tamatave kommen, desto schmutziger wird das Wasser. Bambusrohre schwimmen am Ufer herum, Ölschlieren ziehen sich über die Wasseroberfläche. Scheinbar leiten einige der Firmen entlang des Kanals ihr Abwasser direkt hier hinein. Dass wir in Tamatave sind, erkennt man dann vor allem am vielen Müll im Wasser und den ärmlichen Hütten am Ufer. Wir erreichen schließlich ein kleines Hafenbecken. Ein halbversunkenes Boot liegt am Ufer. Das Boot hält an einem Steg, und oben am Ufer erwartet uns schon das Tanalahorizon-Team: Mika, Jonathan, Tinah und Gris (der eigentlich Chris geschrieben, aber eben wie das Französische gris ausgesprochen wird) sind mit ihren Landcruisern gekommen, um uns abzuholen. Sie helfen nach einer herzlichen Begrüßung auch, das Gepäck vom Boot auf die Dächer der Autos zu verladen.
In einer kleinen französischen Bar essen wir eine Kleinigkeit, dann fahren wir zum Bazary Be durch die Stadt. Tamatave ist vor allem groß und schmutzig. LKWs verstopfen überall die Straßen. Am großen Markt decken wir uns mit Basttaschen und Gewürzen ein, wobei die Vanille echt teuer geworden ist. Zu Hause 780 € pro Kilo, hier 200.000 Ariary pro 200 g, also rund 350 € pro Kilo. Dann geht die große Reise los. Wir wollen nach Manompana oben an der Ostküste.
Hinter Tamatave wird die Landschaft schnell wieder grüner. Kleine Hütten und viel Gebüsch säumt den Weg. Immer wieder kann man auf’s Meer schauen. Ich sitze mit Chrissi und Alejandro bei Tinah im Auto, der mit Abstand der erfahrenste Fahrer auf dieser Route ist. Er fährt sie mehrmals im Jahr, und fährt deshalb auch Voraus. Alejandro ist übrigens ein super Mitfahrer – er schläft nämlich die meiste Zeit, und wer schläft, stört auch nicht. Die Straße ist in relativ gutem Zustand, fast durchgehend asphaltiert, und wir kommen zügig voran. Immer wieder kann man die schöne Aussicht auf den Indischen Ozean genießen.
Am späten Nachmittag kommen wir in Mahavelona an. Mahavelona ist ein Küstenort, der bei den Madagassen als Urlaubsort sehr beliebt ist. Viele Leute aus Tana und Tamatave machen hier Strandurlaub, und entsprechend ist das Dorf in wenigen Jahren zu einer kleinen Stadt gewachsen. Nachdem vor einigen Jahren ein Feuer fast alles abbrannte, wurde es relativ chaotisch wieder aufgebaut. Die Straßen laufen kreuz und quer, wie biegen irgendwo entlang einer weißen Mauer ab. Jedes zweite Grundstück scheint zum Verkauf zu stehen. An jeder Ecke gibt es gelbe Plastik-Schwimmenten und Schwimmringe zu kaufen.
Unsere Geländewagen halten im Manda Beach, einem Hotel direkt am Strand. Leider treffen wir hier auch die Russen oder Tschechen wieder, die im Palmarium zum Glück nur für einen Tagesausflug waren. Und es ist gerade Ebbe, so dass mit Schwimmen im Meer leider heute nichts mehr ist. Wir gehen stattdessen in den Pool, werden aber schon um Sieben herausgebeten, da der „Pool schließt“. Aaaaha. Das Restaurant ist riesig, und die Hitze darin ist unerträglich. Ebenso gruselig wird dann das Essen: Zwischen abgezählten Pommes und neongrünem Plutoniumkuchen ohne Geschmack sehne ich mich wieder zurück ins Palmarium…
Tanala und ich haben eines der Zimmer im Erdgeschoss, nur leider wurde dort gerade alles frisch lackiert. Es riecht selbst bei offenem Fenster extrem nach Farbe. Das freut den Alkohol-malträtierten Kopf. Aber ich schlafe zum Glück schnell ein.