Frühstück gibt es für mich heute wieder am Hafen. Fast die gleiche Gruppe aus Tanala, Ines, Steffi, Stefan und den Jungs sitzt wieder auf den zusammengesuchten Stühlen und Bänkchen von Mama Be im Hafen von Ankify. Für mich gibt es Bananen, für Tanala scharfen Sakay-Fisch frisch vom Grill. Die anderen werden später im Hotel abgeholt, für einige war das gestrige Frühstück wohl „zu einfach“. Ich finde es genau richtig.
Auch heute geht es mit dem Boot übers Meer, diesmal nach Nosy Komba. Die Insel liegt direkt gegenüber von Ankify, vom Hotel aus blickt man beim Baden ständig darauf. Eigentlich heißt die kreisrunde Insel ganz anders, nämlich Nosy Ambariovato. Und Nosy Komba, Insel der Lemuren, ist nur ihr Spitzname. Von Ankify aus düsen wir los und fahren mit dem Boot Richtung der grünen Insel, dann an der Küste entlang. Dichter Wald bedeckt den ehemals vulkanischen Hügel der Insel, und hier und da liegen kleine Häuser am Strand dazwischen. Parallel zur Insel fahren wir bis zu einem winzigen Hafen, in dem ein paar Segelboote und Pirogen liegen. Wir steigen direkt am Strand aus, und werden von jeder Menge Leinen mit weißen Tischdecken darauf begrüßt. Hier hat aber niemand seine Wäsche aufgehängt: Die Tischdecken werden hier handbestickt und verkauft. Und da hier von Nosy Be doch immer wieder mal Touristen herüber kommen, hängt man die Ware eben weithin sichtbar aus. Wir laufen zu einigen Hütten, und jede davon scheint irgendwelche Touristenware zu verkaufen. Hier gibt es Gemälde, dort kleine Schnitzereien, da bemalte Steine und nebenan schon wieder Tischdecken.
Wir laufen bis zu einem länglichen Gebäude, an dem ein Schild einen kleinen Hügel nach oben zum „Parc lémurien“ weist. Tatsächlich ist der „Park“ einfach ein Teil der Insel, weder besonders abgezäunt noch besonders markiert. Schon nach wenigen Metern kommen uns Mohrenmakis durch die Bäume entgegen. Sie sind sehr neugierig und kaum scheu, und springen schon bald dem ein oder anderen auf die Schulter. Nosy Komba ist berühmt für die diversen Gruppen zahmer Mohrenmakis, die hier leben. Die Tiere sind zwar niedlich, aber so richtig gefällt mir das nicht. Es hat eher etwas von Zoo denn von Natur. Wir laufen weiter, entlang an weißen Löchertischdecken und ein paar bunteren dazwischen. Kaffeebäume, Mangos, Bananen und Ravenalas machen den größten Teil der grünen Vegetation um die Hütten herum aus. Gemütlich schlendern wir entlang einer verwilderter Schildkrötengehege mit Strahlenschildkröten, den hier in der Gegend einheimischen Kinixys zombensis und einer riesigen Seychellenschildkröte. Mich interessieren mehr die frei hier lebenden Taggeckos, und davon gibt es mehr als reichlich. Große, knallgrüne Phelsuma grandis und kleinere Phelsuma abbotti und seippi flitzen überall über die Baumstämme.
Zwischen zwei leeren Gehegen und einem mit einer viel zu fetten, trägen Hundskopfboa sitzt ein blau-grünes Pantherchamäleon auf einer Palme. Das dazugehörige Weibchen ist auch nicht weit. Schließlich laufen wir den kleinen Hügel wieder herunter – rechts und links gesäumt von Tischdecken, kleinen Gemälden, Schnitzereien. Irgendwo zwischen den vielen Verkaufshütten hat ein Mann eine große, rötlich gefärbte, toll geschnitzte Schildkröte stehen. Nach ein bisschen Überlegen, ob die nicht zu schwer fürs Gepäck ist (nee, sie ist innen hohl) kaufe ich die Schildkröte.
In einer kleinen, schmalen Hütte trinken wir noch eine Cola oder ein THB, denn es ist schon nach Mittag und wirklich warm geworden. Gegenüber hängt an einer Hütte ein Plakat, das für Polio-Impfungen bei Kindern wirbt. Kinderlähmung ist hier leider immernoch ein großes Thema mangels flächendeckender Impfungen. Ines huscht derweil zu irgendeiner Hütte um die Ecke. Sie hat am Morgen für Eric und Andry kleine Holzsterne in Auftrage gegeben, die zu aller Erstaunen tatsächlich schon fertig sind.
Langsam laufen wir zurück zum Strand. Auch der Weg direkt am Strand ist, abgesehen von einem alten Basketballfeld, gesäumt von Wäscheleinen mit Tischdecken daran. Ich schlendere auf dem Sand Richtung Boot. Neben der Cyclone II liegt ein blaues, kleines, altes Boot im Wasser. Es trägt den Namen Mumu. Ich hoffe, dass das Wort auf Madagaskar eine andere Bedeutung als im Deutschen hat. Die Cyclone II bringt uns sicher wieder nach Ankify.
Für das Abendessen haben Eric und Andry ausnahmsweise die Hotelküche übernommen. Der kleine, dicke Koch, dessen Essen nicht wirklich rühmlich ist, schaut in der Küche nur zu, und schält ab und zu mal ein paar Kartoffeln. Für mehr hat Eric ihn nicht eingeteilt, und der kleine Dicke schmollt ein wenig vor sich hin. Eric schnibbelt derweil virtuos schnell Gemüse, kocht nebenbei Nudeln und beaufsichtigt dabei noch Andry, der in diversen Töpfen rührt. Er hat’s einfach gelernt. Stundenlang bereiten die beiden vor. Dann ist der große Moment gekommen. Beide tragen Schüssel und Platten voller Leckereien zu mehreren Tischen, die für uns als Buffet zusammengeschoben wurden. Sie haben extra die schicken Uniformen inklusive Kochmützen angezogen, die ich ihnen letztes Jahr geschenkt habe. Auf die sind sie enorm stolz – schließlich sehen die einfach professionell aus.
Die Gesichter strahlen bei den Bergen leckeren Essens, und nicht nur auf Seiten der beiden Köche. Es gibt aber auch wirklich alles: Nudelsalat mit Käse (wo auch immer Eric den hergezaubert hat), in Bierteig panierte Garnelen (ich habe nie bessere gegessen!), Hähnchen- und Zebuspieße, Karottensalat, Krautsalat, Kartoffelecken, Tomatensalat… die Auswahl ist einfach gigantisch. Zwei französische Pärchen, die einzigen, die heute von dem kleinen, dicken Koch bekocht wurden, schauen neidisch zu uns herüber. Ihnen wären saftige Garnelen wahrscheinlich auch lieber als der trockene, totgekochte Fisch. Tja, es hat nicht jeder die besten Köche Madagaskars dabei.
Genau für diesen Moment hat Ines die Holzsterne vorbereitet – unter großen Augen und Beifall verleiht sie Andry und Eric jeweils einen Stern für das grandiose Essen. Da wird das Lachen auf den Gesichtern direkt noch breiter. Stolz tragen beide ihre Sterne den ganzen Abend. Der ist aber auch nach dem Essen längst nicht zu Ende. Später kommt noch eine Folkloregruppe und tanzt, singt und trommelt. Es ist Salegy, der Tanz der Sakalava. Neben sehr viel Arschwackeln gibt es auch einige akrobatische Einlagen. Schließlich fordern die Frauen uns auf, mitzumachen, und wickeln uns ihre bunten Lambas, die zu Röcken gebundenen Tücher, um. Schließlich tanzt ein bunter Haufen Vazaha und Sakalava arschwackelnd durch das Restaurant. Und es gibt auch Solotänze – bei manchen sieht das geübter und gekonnter aus als bei anderen. Bei mir zum Beispiel ist es eher ungelenk, aber Klatschen kann ich gut, wenn die anderen dran sind. Der tolle Abend endet erst spät, und ich falle samt meinem neuen, gerade geschenkt bekommenem Lamba todmüde in mein Bett.