Die Nacht war es unterträglich heiß. Ich schlafe erst ein, als es hell wird und die Hähne schon draußen um die Wette krähen. Um sieben Uhr weckt José Tanala und mich mit ausgiebigem Klopfen an der Tür, weil alle schon beim Frühstück sind – nur wir noch nicht. Irgendwie raffe ich mich doch zum Frühstück auf, bin aber furchtbar müde. Das Hotel zeigt sich heute leider weiterhin nicht von seiner besten Seite. Das Frühstück besteht aus kargem, trockenem Brot und einer winzigen Schale Marmelade. Butter gibt es erst auf Nachfrage und Getränke sowieso erst, wenn man es vier Mal gesagt hat. Die beiden angestellten Mädels tippen lieber auf ihren Smartphones herum oder schäkern mit dem Herren, der die Treppe betoniert. Egal.
Gleich nach dem Frühstück ziehen wir los. Andry fährt uns mit dem kleinen Bus quer durch das Dorf. An einem kleinen Stand decken alle sich mit Getränken ein, dann geht es weiter bis zum Reservat Reniala. Die rote Sandpiste direkt vor dem Reservat ist zu meinem Erstaunen problemlos befahrbar. Andry parkt das Auto im Schatten, und alle wandern erstmal in den Schatten zum kleinen Anmeldehäuschen. In dem sind immernoch der gleiche ältere Mann und die gleiche kleine Frau mit der gleichen Knotenfrisur zugange wie vor zwei Jahren. Beide lächeln freundlich. Vonjy, unser Guide, begrüßt alle per Handschlag und zeigt uns direkt neben einem kleinen Brunnen eine Boa. Er ist einfach den Spuren im Sand gefolgt, denn vor uns war noch niemand hier. Nur die Frau, die am Brunnen gerade ihre Wäsche wäscht. Die Acranthophis dumerili ist im Laub des Dornwaldes perfekt getarnt. Gegenüber uns zeigt sie sich überaus freundlich und ruhig und lässt etliche Fotos über sich ergehen. Dann starten wir endlich in den Dornwald.
Es ist jetzt schon brütend heiß, nur wenige höhere Bäume spenden Schatten. Irgendwie war die Vegetation in meiner Erinnerung viel höher…? Tatsächlich sind die Bäume alle eher klein, und entsprechend schnell wird es wärmer. Wir sind keine fünfzig Meter gelaufen, als Vonjy unter einem Gewirr vertrockneter Äste eine winzige Strahlenschildkröte entdeckt. Sie ist wunderschön, ihr Panzer schimmert golden und sie läuft äußerst munter weiter bis unter einen dornenbewehrten, kleinblättrigen Busch. Ich folge dem sandigen Pfad, der sich zwischen Gebüsch und dornigen Ästen dahin schlängelt.
José entdeckt am Wegrand zwischen den Dornen ein älteres Furcifer verrucosus-Männchen, das tolle grüne Farben zeigt. Sein Helm ist schon etwas ramponiert, offenbar hat das Kerlchen schon ein paar unschöne Begegnungen hinter sich. Der Busch, in dem es sitzt, ist unheimlich dicht und voller winziger, dürrer, brauner Äste. Kein Wunder, dass man sich hier als Chamäleon gut verstecken kann.
Schließlich erreichen wir die ersten Baobabs, Adansonia rubrostipa wächst hier. Diese Baobabs sehen ein bisschen aus wie Flaschen mit einem dickeren Bauch, und sich nach oben hin verjüngend. In den Kronen einiger Baobabs hängen noch Früchte, von einer Art samtigen Pelz überzogen. Die Blüten dieser Art sind gelb, und rollen sich nach hinten auf, was wirklich hübsch aussieht.
Dimby entdeckt das erste Furcifer antimena, ein hübsches Männchen. Es ist allerdings derart aufgeheizt, dass es flink wie ein Wiesel den angebotenen Ast entlang läuft und mir kaum eine Chance zum Fotografieren lässt. Inzwischen ist es noch heißer geworden. Schweiß läuft mir über die Stirn, tropft von der Nase und perlt von den Fingern in den glühenden Sand. Eine kleine Mahafalynatter windet sich im Schatten am Wegesrand vorbei. Kein einziges Wölkchen ist am Himmel zu sehen, kein Hauch von Wind geht. Das zweite Furcifer antimena muss ich nach drei Fotos sitzen lassen, es ist einfach unerträglich heiß. Dimby meint, er habe hier noch nie erlebt, dass so gar kein Hauch von Wind hier geht.
Sogar Vonjy schwitzt – und der ist die Hitze wirklich gewöhnt. Er führt uns zum „Teekännchen“, einem bauchigen Baobab, der wirklich wie sein Spitzname geformt ist. Wenige Meter daneben deutet Vonjy auf eine ältere Spinnenschildkröte, die gerade behände durchs Unterholz krabbelt. Auch sie ist wunderschön, wenn auch nicht so schön goldglänzend wie das Jungtier der zweiten hier heimischen Art.
Schon gegen elf Uhr gibt es einen Gruppenkonsens: Rückweg antreten! Alle schwitzen wie irre, und die Hitze nimmt immer weiter zu. Schatten gibt es kaum noch, und man wankt eher in der Hitze als dass man geht. Bevor wir den Dornwald verlassen, wühlt Vonjy noch in einem kleinen Haufen Rinde vorsichtig nach einem Skorpion. Stattdessen findet er einen Tenrek, der schläfrig unter der Rinde hervor getrippelt kommt. Derweil versucht Anna, eine riesige Grille zu fotografieren. An einem Ast nur wenig davon entfernt sitzt eine große Stabschrecke. Bei Berührung spreizt sie winzige, tiefblaue Flügelchen und macht damit ein scharrendes Geräusch. Ohne die Flügel ist sie auf den grauen Ästen fast unsichtbar.
Als wir die Hütte am Eingang des Reservats erreichen, zeigt mein Thermometer 49°C in der Sonne. Kein Wunder, dass alle so schwitzen! Ich trinke in wenigen Zügen eine ganze Flasche Cola aus, und Anna, Alessandre und Marco ergeht es ähnlich. Alessandre hält Ausschau nach Phelsuma standingi. Die riesigen, farbgewaltigen Geckos sitzen überall im Dach der Hütte, lassen sich aber eher ungern fotografieren.
Nach ein paar Minuten wird mir das Herumsitzen dann doch zu langweilig. Neben der Hütte haben drei Frauen kleine Stände aufgebaut, um Souvenirs zu verkaufen. Ich erstehe drei schwarze, aus Holz geschnitzte Dosen, eine von jeder der Frauen. Dann frage ich sie, ob sie Kinder haben? „Ja klar!“, ist die Antwort, und schon rufen sie laut zu den Hütten hiner sich. Wenige Minuten später habe ich Malbücher an eine ganze Reihe Kinder verteilt, die sich riesig freuen.
Zum Mittag bin ich wieder im Hotel, und alle sind geschafft von dem heißen Ausflug. Mittagessen gibt es im Restaurant an einem großen, runden Tisch. Als Dekoration steht neben dem Tisch ein aus Scherben zusammengesetztes Ei eines Elefantenvogels. Das finde ich sehr beeindruckend. Weniger schön finde ich die ausgestopfte Meeresschildkröte am anderen Ende des Restaurants. Zu essen gibt es Daube de Zebu, welches Teil vom Rind auch immer das ist. Es stellt sich als eine Art Gulasch mit Karotten in Rotweinsauce heraus. Anna und Marco – der laut eigener Aussage krank ist – testen irgendeine sehr interessante Rohei-Nachspeise mit Bröseln drin. Sieht aus wie fluid Flan. Das lasse ich bei den hiesigen Temperaturen lieber mal weg.
Am Nachmittag gibt es nur seichtes Programm. Wir stellen die lustigen Sonnenliegen um, in denen man übrigens sehr bequem liegt, damit alle im Schatten dösen können. Der Pool hat auch wieder Wasser. Das ist zwar salzig, aber für eine Erfrischung taugt es wunderbar. Irgendwann für nachmittags haben Tanala, Dimby und ich uns gestern mit den Damen, die mir die Haare geflochten haben, verabredet. Nebenher massieren sie nämlich, und wollten das eigentlich schon gestern. Zu dritt schlurfen wir in Flip-Flops und Handtüchern am Strand entlang, bis zu einem kleinen Platz mit provisorischen Holzdächern. Die Frauen mieten den Platz am Strand wohl, deshalb sind Massagen hier verhältnismäßig „teuer“. Wobei ich 20.000 Ariary für eine Stunde eher unterbezahlt finde.
Dimby und ich werden gleich von vier Damen bearbeitet. Und bearbeitet trifft es ganz gut. Als die ältere der beiden fragt, ob Bauch massieren ok wäre, gibt es eine skurrile (Un-)Fruchtbarkeitsmassage kostenlos dazu. Man sollte einfach nicht erwähnen, dass man mit 29 noch keine Kinder hat. Da muss ja dann was nicht in Ordnung sein! Tanala hat derweil die Spezialmassageliege mit Muschelvorhang bekommen, dafür aber nur eine Masseuse. Sie heißt Tina Be, während die kleine Schwester sinnigerweise Tina Kely heißt, und Dimby massiert. Zur Massage verwenden die Damen Katrafay-Öl. Den Rum dazu kenne ich, schmeckt scheußlich. Das Öl dagegen riecht angenehm.
Anderthalb Stunden später sind wir drei fertig massiert und fühlen uns ein wenig gerädert. Madagassische Massagetechniken lassen grüßen… Als wir zum Hotel zurückkehren, tauchen plötzlich Christian und Rapha mit Jocelyn an der Bar auf. Sie haben eine Gruppe Reisende ins Nachbarhotel gebracht, und dachten, da könnte man doch noch auf einen Caipirinha rüberkommen. Es wird gelacht und getrunken, und schließlich brechen die drei wieder auf. Ich geselle mich kurz zu Anna, Allesandre und Marco in den Pool, und dann wird es auch schon dunkel und wir finden uns erneut zum Abendessen im Restaurant ein. Ich und Tanala, wir gehen heute sehr früh ins Bett. Während Marco, Anna und Alessandre übermorgen mit dem Flieger nach Tana kommen, werden wir morgen mit dem Bus zurück ins Hochland fahren, um dann übermorgen ebenfalls anzukommen. Wir starten um 5 Uhr früh. Ich bin gespannt.