Das Frühstück gibt es heute neben dem Markt, an dem altbekannten Stand mit den Mofo Sauce, kalter Cola, Kaffee und (leider) ohne frittierte Bananen. Ostermontag zählt wohl nur indirekt als Feiertag. Der ältere Mann mit dem kleinen Jungen auf dem Arm ist wie immer da, schenkt Kaffee und Tee aus, verteilt Hackfleischsauce auf Baguettes und verkauft parallel Coka kely sowie Brioches.
Aus irgendeinem Grund ist manchen Menschen heute unglaublich schlecht. Der ein oder andere hat es wohl gestern in der Huhn-Versteigerungs-Disko ein bisschen übertrieben. Alkoholtechnisch, weniger ersteigerungstechnisch. Entsprechend müssen manche Autos auf dem Weg nach Ankarana immer mal wieder am Wegesrand anhalten. Nach einer ganzen Weile erreichen wir das Office von Mahamasina, ein kleines, weiß getünchtes Haus mit rotem Dach. Die Jungs kaufen Tickets, während wir auf unsere Guides warten. Die Tickets sind schnell erledigt, nur an den Guides hapert es noch – die sind wohl schon unten am Parkplatz.
Die Geländewagen rumpeln den staubigen Sandweg hinunter bis zum Parkplatz auf einer Lichtung des Trockenwaldes. Florent begrüßt mich und die anderen mit Handschlag. Ines, Markus, Katja und Chrissi sind heute wieder in meiner Gruppe, und mit Florent warten wir gemeinsam, bis die beiden Gruppen vor uns den schmalen, roten Sandpfad in Richtung der vielen Stufen nach unten verschwunden sind. Florent hat allerdings schon etwas gefunden, damit das Warten nicht langweilig wird: Eine winzige Schlange, die man auf unserem Gruppenfoto zwischen meinen Fingern nicht mal erkennt.
Heute haben wir wenig Glück in Ankarana, jedenfalls was Tiere betrifft. Der Wald ist wie immer beeindruckend. Wir laufen durch das steinerne Flussbett und folgen dem trockenen Weg durch den Trockenwald. Reptilien sind heute weit und breit nicht zu sehen – abgesehen mal von der winzigen Schlange ganz zu Anfang. Wahrscheinlich deshalb, weil es seit Tagen staubtrocken ist. Plötzlich deutet Florent mit dem Finger in Richtung des Weges und legt den Finger an die Lippen. Ich höre lustige Geräusche, eine Mischung aus Gackern, Schnalzen und Fiepen, hinter ihm. Dann sehe ich eine kleine Gestalt über den Weg huschen – einen Ringelschwanzmungo (Gallidia elegans). Ein zweiter läuft vor ihm her, die beiden scheinen miteinanderzu kommunizieren und sich gegenseitig zu verfolgen. Einige Meter schleichen wir uns hinter den beiden Mungos her, dann verschwinden die beiden flugs im dichten Unterholz.
Die Tsingys liegen in der Sonne wie ein graues Meer vor mir. Ein graues Meer mit Trockenwald am Rand. Es ist fast Mittag und die Hitze steht über den grauen Steinen. Am Rande des Nadelsteinmeeres wandern wir auf einem platten Teil der Tsingys einem von Schuhen rötlich-weißlich veränderten Pfad entlang. Man muss schon ein wenig auf seine Füße achten, denn nicht alle Steine sind so fest, wie sie aussehen. Ich halte nach Taggeckos Ausschau, aber es dürfte bereits zu warm für sie sein. Dafür flitzt ein kleiner Zonosaurus tsingy über die Felsen, gut erkennbar an seinem wunderschönen blauen Schwanz.
Über die kleine Hängebrücke geht es zum Aussichtspunkt und auch wieder zurück. Ich bin froh, als wir wieder den Trockenwald betreten, denn hier ist es zumindest gefühlt ein paar Grad kühler. Florent sucht für uns einen Wieselmaki oder sportive lemur, wie sie hier genannt werden. Er hat ihn tags zuvor in einem Baumloch gesehen und die nachtaktiven Makis nutzen häufig tagsüber den gleichen Schlafplatz. Tatsächlich entdecken wir den kleinen Lemuren, allerdings gibt es heute nur eine Rückenansicht zu sehen. Ein schöner Rücken kann auch entzücken… oder so ähnlich.
Dankenswerterweise wurde für uns eher Glücklose irgendwo weiter hinten auf dem Weg ein Pfeil aus Ästen auf dem Boden gelegt. So finden auch wir heute noch einen Henkels Blattschwanzgecko, der sich eng an seinen Ast schmiegt. Da wir auf dem Hinweg nicht an der Pérte des rivières waren, dem riesigen Loch aus Gestein, in das zur Regenzeit alle Flüsse der Gegend verschwinden und unterirdisch weiter verlaufen, machen wir auf dem Rückweg noch einen kleinen Umweg dorthin. Das Wasser scheint hier vor Kurzem noch ziemlich gewütet zu haben. Schlammmassen verdecken das Flussbett, dem wir wieder Richtung Parkeingang folgen. Halbe Bäume wurden von den Wassermassen mitgerissen und liegen im Flussbett verteilt herum. Es ist kaum vorstellbar, dass genau hier, wo man steht, vor zwei Monaten noch meterhoch das Wasser floss – und zur nächsten Regenzeit wieder fließen wird.
Ein spätes Mittagessen gibt es im Camp des Princes an einem Holztisch mit Bänken, überdeckt von einem kleinen Dach. Die Guides haben von ihren Frauen Essen zubereiten lassen. Es gibt eine ganz fantastische, leckere Kokossauce mit dem üblichen Reis und Huhn dazu. Während alle gemütlich schmausen, meint einer der Guides, er hätte vorhin eine Schlange hinter der Küche gesehen. Also gehe ich mal gucken, ob die noch da ist.
Ich frage die beiden Köchinnen, ob sie eine Schlange gesehen haben. Eine kichert, und meint „Jaja, da hinten, eine ganz kleine!“. Ich bedanke mich und laufe um die improvisierte Küche herum, die aus überdachten Betonblöcken und einer Feuerstelle besteht. Neugierig schaue ich ins Laub, finde aber erstmal nichts. Dann fällt mein Blick auf den nächsten Baum – und daran windet sich gerade eine Madagaskarboa in der Größe eines Feuerwehrschlauches nach oben. Huch! Das ist mal eine wirklich riesige Acrantophis madagascariensis. Die Schlange ist eher gemütlich unterwegs, entsprechend leicht ist es, sie vorsichtig hochzuheben und später wieder dorthin zurück zu setzen. Als Fotomotiv erweist sie sich als äußerst dankbar – anscheinend ist sie mehr als satt.
Das Fotografieren zieht bald die Aufmerksamkeit der Kronenmakis auf sich. Als sie die große Schlange entdecken, beginnt ein faszinierendes Schauspiel: Mit aufgeregten Grunzlauten sitzen die Makis rund um die Boa in den Ästen. Langsam, sehr langsam, windet sich die Acrantophis durch das raschelnde Laub. Die Makis grunzen. Schließlich traut sich einer der jüngeren nach unten. Mit aufgeregten Quietschlauten springt er auf den Boden und sofort wieder zurück. Es scheint, als würden die jüngeren Kronenmakis sich gegenseitig zu überbieten versuchen, wer sich näher an die Boa herantraut. Eine ganze Weile sitzen und springen die Makis grunzend um die Schlange, bis sie schließlich doch das Interesse an ihr verlieren.
Es ist Zeit für den Rückweg. Mit den Geländewagen sind wir bereits in Sichtweite von Amiblobe, als es plötzlich wahnsinnig zu regnen beginnt. Regen trifft es nicht ganz, es schüttet wie aus Kübeln. Eine riesige Zebuherde trottet vor uns auf der mehr oder minder asphaltierten Straße, das Fell klatschnass. Von den Hörnern und Nasen rinnt das Wasser. Ein Junge versucht die Zebus an die Seite zu scheuchen, aber die lassen sich nicht beirren und laufen nur wenige Zentimeter vor den Autos weiter. Geduld, Geduld. Die Schlaglöcher der Straße füllen sich in Windeseile mit Wasser. Bereits nach wenigen Minuten steht das Wasser auf der Straße und es regnet weiter. Das ist wohl der Regen, der Ankarana in den letzten Tagen gefehlt hat.
Als wir Ambilobe erreichen, ist es fast dunkel und schon fast Essenszeit. Nachdem die letzte Nacht für einige ja sehr… durchlebt… war, gehen heute alle früh ins Bett. Morgen geht es in den Montagne d’Ambre, worauf ich mich schon sehr freue. Es ist einer der schönsten Campingplätze Madagaskars, mitten im Regenwald, und außerdem ein Chamäleonparadies.