Endlich mal wieder ein Direktflug, dachte ich mir noch beim Buchen. Um vier Uhr heute Morgen sind Tanala und ich aufgestanden, über Frankfurt nach Paris geflogen und von dort mittags direkt mit Air France nach Antananarivo. Der Flug war schön ruhig, und ich hatte einen Platz in Reihe 18. Das ist die erste Reihe hinter der Business Class, wo man so schön viel Beinfreiheit hat. Das Essen war erstaunlich gut und nachmittags gab es sogar Eis und Rum. Als das Flugzeug in Tana wieder auf dem Boden aufsetzt, bin ich trotzdem erleichtert. Fliegen ist nicht so meins.
Ich reihe mich geduldig in die Viehgatter vor den diversen Schaltern ein. Inzwischen gibt es nicht nur die beiden Visa-Schalter je nach Dauer des Aufenthalts und Herkunft, sondern auch noch einen Bezahl-Schalter davor. Ich habe heute Morgen spontan beschlossen, dass ich länger auf Madagaskar bleiben werde, und bräuchte deshalb eigentlich ein Visum für zwei Monate. Das normale Visum, das man hier am Schalter bekommt, gilt aber nur 30 Tage. Deshalb beantragt man das längere Visum normalerweise beim Konsulat. Da ich bis gestern Mittag aber durchaus noch der Meinung war, früher zurück zu fliegen, habe ich natürlich gar nichts beantragt. Einen Rückflug habe ich auch noch nicht gebucht. Ergo fehlen mir nicht nur die auszufüllenden Dokumente für die Erlangung des 2-Monats-Visums, sondern auch Passfotos und Rückflugticket, jeweils im Doppel.
Ich gedenke dieses Problem auf madagassische Art zu lösen: Einfach ignorieren und abwarten. Am Schalter rücke ich langsam weiter nach vorne. Meine Hände schwitzen ein bisschen. Dann bin ich an der Reihe. Die Dame am Schalter fragt, für wie viele Tage ich ein Visum benötige. „Soixante jours“, antworte ich in schönstem Schulfranzösisch. Die Dame schaut etwas irritiert, blättert durch meinen Reisepass, nickt dann und ich lege 40 € passend auf den Tresen. Dagegen bekomme ich ein Blatt Papier ausgehändigt, das meine Zahlung quittiert. Bevor noch jemand auf dumme Gedanken kommt, stelle ich mich in der nächsten Reihe am Visumsschalter an. Dort muss man dieses Jahr Fingerabdrücke abgeben, und zwar mit einem ganz modernen Scanner. Der Scanner steht jetzt genau da, wo man eigentlich unter der Plexiglaswand seinen Reisepass durchgibt. Da dort jetzt besetzt ist, muss man um den Schalter herumlaufen und den Pass seitlich an der halbhohen Tür des Schalters abgeben. Das mit den Fingerabdrücken klappt vor mir so leidlich, auch wenn der Vorgang in mehreren Blättern direkt über dem Schalter erklärt ist.
Als ich dran bin, drücke ich dem Beamten einfach ganz selbstverständlich meinen Reisepass samt der Quittung in die Hand. Der blättert, und ich überlege schon mal, wie ich mich aus der Sache mit den fehlenden Dokumenten rausrede. Es dauert ein paar Minuten, dann druckt der Beamte – Mensch, das wird ja noch richtig professionell hier! – mir ein Visum aus, klebt es in den Reisepass und ein anderer Beamter legt es auf den Stapel der auszuteilenden Visa. Tja, so einfach kann das gehen. Man muss nur vorher zahlen, dann braucht es offenbar weder Passfotos noch lange Dokumente. Und 10 € billiger als in Deutschland ist das Ganze auch. Ich bin erleichtert. Als mir der Pass wieder ausgehändigt wird, flitze ich schnell zum Kofferband.
Tanala wartet bereits. Nach wenigen Minuten erscheinen unsere vier Koffer auf dem Band. Wir wuchten alles auf zwei Kofferkulis und wandern gen Ausgang. Auch hier gibt es eine Neuerung. Ein Durchleuchtungsgerät wurde aufgestellt und tatsächlich wird heute in jedes einzelne Gepäckstück manuell reingeschaut. Da wird mir schon wieder ganz anders mit meiner munteren Medikamentensammlung im Koffer.
Ein kleiner, untersetzter Mann in blauer Uniform möchte natürlich gerne in mein Gepäck gucken. Ich öffne zuerst die rote Tasche, woraufhin erstmal zwei Fotoplamps (so eine Art Halterung für Äste und Blätter) und mein Kulturbeutel auf den Boden fallen. Direkt unter dem Netz, der den unteren Teil des Koffers abteilt, prangen diverse Medikamentennamen auf den dazugehörigen Schachteln. „Sind das Medikamente?“, fragt der Beamte interessiert. „Für Medikamente brauchen Sie Papiere.“ „Nee, nee“, erkläre ich schnell. „Das sind nur Handschuhe und so. Keine Medikamente.“ „Ach so“, meint der Mann schulterzuckend, und bedeutet mir, den Koffer wieder zu schließen. Auf die Besichtigung meines zweiten Gepäckstücks verzichtet er, als ich erkläre, dass nur Kartons mit Malbüchern und Buntstiften drin sind. Inzwischen sind auch Martin und Markus eingetrudelt, sie saßen im gleichen Flieger und wir hatten uns schon in Paris getroffen.
Dimby und José holen Tanala, Markus, Martin und mich direkt am Flughafen ab. Es ist zappenduster draußen, aber am Flughafen ist alles beleuchtet. Wir begrüßen uns alle herzlich, lange nicht gesehen! Dann verfrachten wir das Gepäck – möglichst ohne ungewollte Hilfe durch umstehende Herren – in Dimbys Toyota Landcruiser. José flitzt noch zum Parkscheinautomaten, während wir schon mal zur Schranke vorfahren. Es wird sehr kuschelig im Auto mit sechs Personen und Fotorucksäcken, aber irgendwie kriegen wir alles unter.
Als wir im Raphia ankommen, ist es nach Mitternacht. Dank Dimbys Organisation bekommen wir noch frische Samboza vorgesetzt, und auch THB gibt es noch reichlich. Ich schütte gleich drei in mich hinein. Wir sitzen noch bis halb Drei zusammen, quatschen über vergangene Madagaskarreisen und die bevorstehende. Dann falle ich erschöpft ins Bett. Der Urlaub fängt gut an!