Mit dem Sonnenaufgang stehe ich auf. Als die Sonne über die Baumwipfel reicht, beginnt der nasse Waldboden zu dampfen. Wasser tropft von den Bäumen, ganze Dampfschwaden ziehen über den Campground. Einzelne Sonnenstrahlen leuchten dazwischen. Es sieht einfach irre aus. Und trotzdem ist es heute Zeit, diesen zauberhaften Ort zu verlassen und aufzubrechen.
Ich packe meine nassen Sachen zusammen. Mein Fotorucksack ist inzwischen auch von innen so nass, dass mein 24-70er-Objektiv erstmal offen in der Sonne trocknen muss. Und die anderen Objektive gleich mit. Ich breite die Sachen auf einer der Bänke aus. Dort liegen schon meine nasse Hose von vor zwei Tagen, die exakt null getrocknet ist. Meine Schuhe sammle ich auch wieder ein, sie sind… naja. Ein Hauch von weniger nass. Es steht zumindest kein See mehr darin.
Eigentlich wollten wir um Neun los, aber alles geht heute früh sehr, sehr langsam. Die Zelte wollen komplett abgewischt und getrocknet werden, bevor sie eingepackt werden können. Quasi alles muss irgendwie gesäubert werden vor dem Verpacken. Die leeren gelben Wasserkanister werden mit dem klaren, kalten Bergwasser des Montagne d’Ambre gefüllt und auf die Dächer der Landcruiser gehievt. Fitah kümmert sich um die Zelte der Gäste, die Jungs packen ihre eigenen Zelte und die Küche ein. Zwischendurch gibt es Frühstück, Apfelschnitten im Teigmantel. Und ein neues Nutellaglas. Im alten Glas ist jetzt Andrys Tomatensakay. Wohl dem, der beide nicht verwechselt. Stück für Stück wandern Kartons mit frisch gespülten Tellern, Becher, Besteck und Pfannen zu den Autos. Jeder bringt sein Gepäck rüber zu den Autos. Vier Hühner sind auf einem der Dächer festgebunden. Sie sehen alle vier nicht so ganz fit ist. Ich frage Dimby, ob wir die Hühner nicht lieber in einem Karton im Auto transportieren wollen. Da oben werden sie die Hitze von Diego wohl eher nicht überleben. Geht nicht, kein Platz, wird allgemein befunden.
Das wunderschöne Calumma ambreense-Männchen von gestern Abend sitzt nicht weit entfernt von seinem Schlafplatz. Tatsächlich zeigt es in der ersten Sonne des Tages seine schönsten Farben, richtig golden leuchtet das Chamäleon.
Kurz vor Zehn sind doch endlich alle fertig. Der Nachtwächter und seine Frau kommen mit nach Joffreville. Die Landcruiser wenden auf dem Parkplatz und langsam fahren wir, einer nach dem anderen, auf den Weg hinaus aus dem Regenwald. Der Lateritweg ist unglaublich rutschig. Stück für Stück schlittern wir eher den Weg hinunter. Kurz hinter dem Camp parkt ein weißer Toyota auf dem Weg. Irgendwelche Leute fotografieren gerade das Schild, das zum großen Wasserfall weist. Etwas weiter unten steht einfach ein Auto mitten quer auf dem Weg. Gris umfährt das Auto, obwohl er insgesamt sowieso mehr rutscht als fährt. Gut durchgeschüttelt kommen wir am Park Office an und biegen auf den Schotterparkplatz links ein. Angeluc wartet auf uns, um sich zu verabschieden – und um 100 Malbücher samt Stiften entgegen zu nehmen. Die wollten wir ihm im Regen nicht mitgeben, sie hätten den Marsch vom Campground bis hierher nicht trocken überlebt. Angeluc freut sich sehr und kann gar nicht alles in seinen Rucksack stopfen. Er verabschiedet uns winkend vom Park Office. Überall an den grünen Holzpfosten sitzen Taggeckos – im Wald muss man sie mühsam suchen, hier laufen sie einem quasi über die Hände.
Weiter geht es nach Ambohitra. Bei Jackie Chans Laden halten wir kurz an, um die leeren Getränkekisten abzugeben. Dann düsen wir nach Diego Suarez. Gris will offenbar die verlorene Stunde wieder rausholen und rast geradezu auf den grottigen Straßenresten dahin, soweit das möglich ist. In der staubigen Großstadt angekommen fahren wir noch zu einem Supermarkt, damit sich jeder mit Getränken und Keksen für Nosy Hara eindecken kann. Der Laden hat zu meiner besonderen Freude auch Mangostan im Angebot, für 27.500 Ariary das Kilo. Es ist brütend heiß auf dem Parkplatz des Supermarkts. Die Kühle des Montagne d’Ambre scheint längst vergessen, ich schwitze schon wieder ohne Ende.
Was mir heute in Diego Suarez auffällt, ist ein krasser Unterschied zwischen armer Bevölkerung auf der Straße und einer sehr kleinen, privilegierten Oberschicht. Hier eine europäisch angehauchte Eisdiele mit kompletter Thekenkühlung und schicker Bestuhlung auf einem gepflegten Sandplatz, keine 20 Meter weiter sitzt eine Mutter in zerrissenen Klamotten auf dem Straßenboden und verkauft Obst. Ihr kleiner Junge, nur in Unterhose bekleidet, pisst neben ihr einfach auf die Straße. Wieder ein paar Meter weiter parkt ein nagelneuer SUV am Straßenrand, nur wenige Meter davon schläft ein Mädchen in einem schmutzigen Kleid unter einem provisorisch aus Holzpfählen gezimmerten Verkaufsstand für Fahrradreifen. Eine Unmenge Tuk-Tuks sind unterwegs. Manche bis auf die kleinste Schraube herausgeputzt, bei vielen freut man sich allerdings eher, wenn während der Fahrt nicht allzu viele Schrauben herausfallen. Wir halten irgendwo in der Stadt nochmal an, um einen riesigen Block Eis zu kaufen. Für die Kühlbox fürs Essen.
Dann geht es los Richtung Nosy Hara. Gris hält neben einer Verkehrsinsel aus Beton an und fragt einen jungen Mann nach dem Weg. Der deutet mit der Hand geradeaus, es gibt wohl nur eine einzige Straße in Richtung der Salinen. An denen vorbei geht es nach Ampasindava, von wo man nach Nosy Hara mit dem Boot übersetzt. Gris fährt den Landcruiser einmal quer über die Verkehrsinsel. Tuk-Tuks haben, selbst wenn sie von rechts kommen, übrigens hier keine Vorfahrt. Schnell sind wir aus Diego Suarez heraus und kommen auf einen kurzen, gepflasterten Weg, der auf eine staubige Piste führt. Rechts und links sind nur noch ärmliche Hütten, ein paar Wellblächdächer dazwischen. Nichts ist mehr zu sehen von der Großstadt mit ihren Betonhäusern aus Kolonialzeiten. Wir passieren einen Sandweg, an dessen Rand zu beiden Seiten Dutzende Menschen auf dem Boden sitzen und mit selbst gebastelten Meißeln und Hämmern auf Steine einschlagen. Sie produzieren so handgeschlagene Kieselsteine, die zu großen Haufen aufgetürmt auf ihren Abtransport warten, um die Einfahrten besser verdienender Leute zu zieren. Schutzkleidung gibt’s hier keine, ungefährlich dürfte die Arbeit nicht sein. Doch die Leute sitzen hier barfuß auf dem Boden, während die Steinsplitter um sie herum fliegen. Nur ein paar Hundert Meter weiter passieren wir eine riesige Müllhalde. Überall steigen schmale Rauchsäulen in den Himmel. Das Gerümpel wird hier einfach verbrannt.
Dahinter rumpeln wir in eine Senke hinein, die sich über ein paar Kilometer zieht. Zu beiden Seiten der Straße ziehen sich grün leuchtende Reisfelder. Der Kontrast zur Müllhalde davor könnt größer nicht sein. Nur ein paar Strommasten folgen dem Weg. Fahrradfahrer und Fußgänger sind unterwegs. Am Ende der Reisfelder führt der Feldweg zwischen unzähligen Mangobäumen weiter. Der Weg wird immer sandiger und schmaler, bis rechts und links Gras und Äste direkt ans Auto reichen. Obwohl der Weg eher sandig ist, hat er unglaublich viele Schlaglöcher, die die Jungs geschickt umkurven. Die Fahrt ist insgesamt eh sehr rumpelig. An ein paar Hütten halten wir hinter Léon und Mamy an. Offiziell machen wir eine Pinkelpause. Weniger offiziell werden die Hühner von Dimbys Dach gerade notgeschlachtet. Oh Wunder, über 40° in der Sonne überlebt man auf einem Metalldach nicht so gut, wenn man eh schon ein angeschlagenes Huhn ist. Immerhin haben wir eine Kühlbox dabei, so muss nichts verworfen werden.
Nach der Pause steigen alle wieder ein, es geht weiter. Gris beeilt sich wieder sehr, so dass wir plötzlich weitestgehend allein zwischen den riesigen Mangos fahren. Irgendwo im Busch hält Gris schließlich an und fragt eine junge, nette Frau nach dem Weg. Sie weist nach links. Wir fahren also links herum und merken nach drei Kilometern Buckelpiste, dass die Straße in einem riesigen, unüberwindbarem Loch endet. Also alles wieder zurück und nach rechts abbiegen. Dahinter biegen wir nochmal ab und tatsächlich taucht im Nirgendwo mitten im Gebüsch plötzlich ein Schild wie aus dem Nichts auf. Daruf steht „Nosy Hara 16 km vers Ampasindava“. Gut, das passt. Der Weg wird allerdings mit jedem Kilometer schlechter. Mehrere kleine Brücken überqueren wir langsamer als im Schrittempo, weil der Absatz zum Weg dahinter so hoch ist. Trotzdem setzen wir an zwei Stellen auf. Schließlich erreichen wir die Salinen. Soweit das Auge reicht, liegen links und rechts eines etwas besser planiertem Wegs glatte Matschflächen, hunderte Meter breit. In einigen steht Wasser, in vielen nichts. Die „Straße“ reicht einen kleinen Hügel nach oben, rechts steht hinter einem Maschendrahtzaun ein alter Wohnwagen. Oben vom Hügel aus kann man das Meer sehen. Wir müssten dann ja fast da sein? Weit gefehlt.
Wieder fahren wir auf einem sehr engen Weg entlang. Das Gras zu beiden Seiten ist höher als unser Landcruiser. Regentropfen benetzen die Windschutzscheibe, aber zum Glück bleibt es beim Tröpfeln. An einer Weggabelung lenkt Gris das Auto nach rechts, doch der Weg endet nach wenigen Metern in einem breiten Fluss im Schlamm. Gris setzt das Auto zurück bis zur Kreuzung, um dann dem linken Weg zu folgen. Über den Fluss führt auf dieser Seite eine wackelige Holzbrücke aus relativ losen Bohlen. Gris steigt kurz entschlossen aus, betritt die Brücke zu Fuß und wippt ein bisschen hier, ein bisschen da herum. Besonders vertrauenserweckend sieht das Konstrukt nicht aus. Dann zuckt er mit den Schultern, steigt ins Auto und fährt einfach drüber. Es rumpelt und kracht, aber die Brücke hält. Per Funkgerät gibt Gris Christian noch den Rat, er müsse ganz exakt gerade über die Brücke fahren, rechts und links könnte sie abbrechen. Hinter der Brücke hat der Regen der letzten Tage tiefe Schlammlöcher ausgewaschen. Der Laterit, in den der Weg seit dem Fluss übergeht, ist wie Schmierseife.
Wir erreichen einen kleinen Hügel, der vollständig aus Laterit besteht. Hundert Meter vor uns steckt ein LKW fest. Der Boden ist spiegelglatt. Wir parken neben einem großen Baum. Gris, Christian und Dimby steigen aus und gehen nachschauen, was an dem Hügel los ist. Bis die drei wieder zurück sind, fährt der LKW oben zentimeterweise weiter. Wir schlingern den Hügel mit den Autos nach oben. Obwohl der Weg eigentlich gar nicht so schlimm aussieht, ist er extrem rutschig und glatt. Auf der anderen Seite des Hügels steckt der blaue LKW schon wieder fest. Ein Haufen Leute rennt barfuß drumherum. Gris bremst und kurbelt das Fenster auf der Fahrerseite nach unten. Das Bremsen bewirkt quasi nichts, der Landcruiser rutsche einfach weiter. Gris brüllt aus dem Fenster, dass die Leute aus dem Weg gehen sollen. Dann rutschen wir auf den LKW zu und mit vielleicht zwei Hand breit Abstand an dem LKW vorbei. Ich halte die Luft an. Aber es geht gut. Weiter unten ist der Weg so glatt, dass Gris den Landcruiser trotz aller Fahrkünste nicht in der Spur halten kann. Das Auto rutscht zur Seite und steht kurz quer, dann fahren wir weiter.
Durch einen weiteren Fluss, der aber deutlich kleiner ist, folgen wir dem Weg. Schilder habe ich seit dem einen vorhin keins mehr gesehen. Auf der anderen Seite des flachen Flusses geht es durch eine Lateritsuhle wieder nach oben. Die Reifen drehen kurz durch, dann schiebt sich der Landcruiser Zentimeter für Zentimeter nach vorne, bis die Reifen auf einer Art Pflastersteinen wieder richtig greifen. Dahinter wird die Piste wieder etwas besser. Mehr Kies und nur Löcher statt Lateritschlamm. Das Gelände wird offener und savannenähnlich. Wir passieren eine weite Grasfläche mit bestimmt Hunderten Zebus. Irritiert beobachten sie die Autos, die an ihnen vorbeifahren. Irgendwo gabelt sich der Weg drei- oder viermal. Keine Ahnung, woher Gris weiß, welcher Weg davon der Richtige ist.
Gegen halb Drei kommt das Meer wieder in Sichtweite. Ein winziges Hüttendorf liegt davor. Wir folgen einem provisorischen Zaun aus lose auf Pfähle gelegten Ästen und nehmen an einer Weggabelung die linke Spur. An einer winzigen blauen Bretterbude ist der Weg aber so kaputt, dass wir wenden und den anderen Weg nehmen. Dabei entdecke ich ein kleines Schild, Gendarmerie, an der blauen Hütte. Besetzt ist sie nicht. Wir fahren an ein paar Hütten und einem weißen Häuschen vorbei und parken direkt am Strand unter einer großen Tamarinde. Ein Dutzend Leute sitzen auf dem Sandboden unter dem großen Baum. Offenbar wird gerade der Fang des Tages gewogen und aufgeteilt. Bonitus, Red Snapper und andere große und kleine Fische liegen auf Planen auf dem Boden ausgebreitet. Mit einer antiken Waage, bei der es fünf Leute zum Wiegen braucht, werden die Fische abgewogen und in große Wannen geworfen. Ein Pick Up steht bereit, um die Fische nach Diego zu bringen.
Im Wasser schaukeln zwei kleine Holzboote auf den Wellen. Sehr kleine. Ich schaue etwas ungläubig zu den kleinen Booten und der Entfernung zu der Insel, zu der wir wollen. Andere Boote gibt’s aber nicht. Ein Bootsmann taucht auch auf, breit grinsend im schwarzen I-love-New-York-T-Shirt. „Tsy masika ny ranomasina!“, beschwichtigt er gleich. Das Meer ist nicht rau heute. Na dann wollen wir ihm lieber mal glauben. Im Schneckentempo wandert das Gepäck in die beiden Boote. Erst am Schluss folgt die menschliche Fracht.
Die Boote dümpeln sehr gemütlich vor sich hin und tatsächlich erweist der Wellengang sich als völlig harmlos. Langsam, sehr langsam, tuckern die beiden Nussschalen vom Strand weg und aufs Meer hinaus. Das Meer ist ruhig, der Himmel seit dem Nieselregen vorhin bedeckt. Sie Sonne brennt dadurch weniger, kühler ist es nicht geworden. Plötzlich tauchen fliegende Fische zwischen den beiden Booten auf. Für ein paar Minuten springen die glitzernden Fischkörper immer wieder aus dem Wasser hinaus, verharren für Sekunden in der Luft und tauchen dann mit sehr leisen Platschern wieder ins Meer. Die Boote fahren auf eine große, lang gestreckte Insel mit steilen Felsklippen zu. Langsam tuckern wir immer näher und rechts an den Klippen vorbei. Unwirtlich sieht die Insel aus, unbewohnt und rau.
Als wir die Spitze der Insel erreichen, kommt ein riesiger Steinwürfel in Sicht. Er scheint auf einer Kante zu balancieren und sieht aus wie ein riesiges Naturdenkmal. Direkt neben dem riesigen Steinkoloss hält das zweite Boot neben einem Fischerboot an, das genauso bemalt ist wie unseres. Offenbar reicht das Benzin des Fischerboots nicht mehr aus, um an Land zurückzukehren. Der Bootsmann verleiht also fröhlich ein wenig Benzin. Die schroffe Felskante ragt mächtig über dem Boot in die Höhe. Riesige Findlinge begrenzen die Insel, zwischen Kliff und Ufer schmiegen sich Bäume in jede erdenkliche Felsspalte. Ein schmaler Sandsteg grenzt den Teil der Insel mit dem riesigen Steinquader vom hinteren Teil der Insel ab.
Langsam nähern wir uns einer kleinen Bucht mit weißem Sandstrand und türkisgrünem Wasser. Als wir uns der verwunschenen Insel zuwenden, ist es ein bisschen, als würden wir auf die Isla Nublar von Jurassic Park zufahren. Rechts und links ragen hohe, wie aufgeschichtete Felswände in den Himmel und bis ans Wasser heran. Geradeaus nach vorne scheint eine Art Schlucht mit einem grünen, üppigem Urwald zu liegen, direkt hinter dem schönen Sandstrand. Ein wahres Paradies und scheinbar völlig unberührt. Naja, oder zumindest mehrheitlich unberührt. Ich entdecke ein kleines, weißes Gebäude und einen Unterstand links am Strand. Als wir näher kommen, raffen einige Fischer eilig ihre Habseligkeiten zusammen und verschwinden mit ihren Booten. Fischen ist hier nicht erlaubt, denn Nosy Hara ist ein Nationalpark. Das Feuer der Fischer glimmt noch, als wir die Insel erreichen.
Die Boote ankern im Wasser. Alle steigen aus und stapfen durch das warme Meereswasser an den Strand. Ein schmaler Pfad führt am Strand einen kleinen Hügel nach oben zum Campground mit einem großen Unterstand. Rechts und links des Unterstands, unter dem ein paar verwitterte Tische und Bänke stehen, führen schmale Pfade zu Zeltunterständen. José und Fitah machen sich sofort daran, die Zelte aufzubauen. Christian und Andry bauen die Küche auf. Dimby verlegt eine abenteuerliche Menge Kabel von einigen Solarplatten, die er in die Sonne stellt, bis zu zwei Glühbirnen, die er direkt unter das Dach hängt. Eine junge Madagascarophis colubrinus schlängelt sich durch den Sand an unserer provisorischen Küche vorbei.
Nosy Hara ist eine wirkliche Trauminsel. Als die Sonne untergeht, leuchten die Wolken über der Bucht tief rosa. Ein bezauberndes Farbenspiel zeigt sich am Horizont, dann verschwinden die Wolken plötzlich. Im letzten Licht der Sonne fliegt ein Flughund in Richtung der Schlucht über uns hinweg. Die Insel ist völlig still. Nicht mal das Meer hört man besonders laut, nur ganz leise plätschern die Wellen am Strand vor sich hin. Im Dunkeln fangen ein paar Grillen an zu zirpen, sonst hört man nichts. Gar nichts. Ein enormer Sternenhimmel zieht sich über die Insel. So viele Sterne habe ich noch nie gesehen, selbst im Montagne d’Ambre nicht. Zwei Sternschnuppen huschen über den Himmel.
Unter dem Dach sitzt ein riesiger Gecko, ein Blaesodactylus boivini. Die Tiere haben eine beeindruckende Körpergröße. Später entdecken wir noch ein Weibchen ebenfalls im Dach, es ist genauso riesig und hat enorme Kalksäckchen am Kopf. Die Größe scheint auf dieser Insel für die Geckos normal zu sein. Als es neben dem Unterstand im Busch raschelt, suche ich mit der Stirnlampe nach dem neugierigen Inselbewohner. Ich entdecke lediglich eine Madagaskarratte, die offenbar auf ein paar Reiskörner hofft. Ein kleines Pantherchamäleon-Männchen sitzt am Rande einer Felswand hinter den Zelten. Es schläft tief und fest. Ich gehe auch bald nach einem schnellen Abendessen ins Bett. Offroad-Tage sind anstrengend, auch wenn man gar nicht selbst fährt.
Einziges Manko des Tages: Mein linkes Auge ist inzwischen so dick, dass ich es nicht mal auf kriege. Meine Salbe reicht nicht aus, die Augenlider sind dick entzündet. Philipp hat zum Glück eine weitere Salbe dabei, die dann auch sehr schnell anschlägt. Wäre ja auch schade, wenn ich mangels zweier Augen nichts von diesem Paradies hier mitbekomme.