Die Nacht war eher…unruhig. Und das Toilettenhäuschen ist nachts gar nicht so nett wie tagsüber. Ich bin früh wach, schon bevor die Sonne aufgeht. Ich will mit der DJI den Sonnenaufgang über dem Regenwald vom Wasserfall aus filmen. Also schleiche ich in Flip-Flops durchs Camp und nach unten zu den Felsen. Leider möchte die DJI so gar nicht mitspielen, also vertage ich die Filmaufnahmen auf morgen und genieße einfach so auf den Felsen sitzend den Sonnenaufgang. Nebelschwaden ziehen aus der Schlucht vor meinen Füßen nach oben, langsam beginnt die Sonne ihre Strahlen auf den Regenwald zu werfen. Tanala kommt vorbei und bringt Handtücher und Duschsachen mit. Und so wird aus den kleinen Naturpools des an dieser Stelle gemächlich dahin plätschernden Wasserfalls Badewanne und Dusche in einem. Das Wasser ist gar nicht so kalt, wie man annehmen würde. Und wer hat schon beim Baden so einen Ausblick?
Danach bleiben wir noch ein bisschen sitzen. Die Sonne wandert weiter über den Regenwald, der Nebel ist verschwunden. Nestor kommt vorbei und eilt über die Felsen, auf dem Weg zu den Seidensifakas. „Und, finden wir die Sifakas heute?“ „Ja, ganz sicher, ganz nah!“, sagt er optimistisch und verschwindet schnellen Schrittes in den tiefen Regenwald.
Um die Gemeinschaftshütte schleicht schon vor dem Frühstück eine Ringelschwanzmanguste. Das Ei riecht verlockend… Weiter vorne im Gebüsch trötet ein Coua etwas einsam. Scheinbar etwas verwirrt hüpft er im Farn herum. Die Diskussion beim Frühstück dreht sich – mal wieder – eher um die sehr menschlichen Dinge des Camping. Offenbar nutzt jemand die Klobrille, um darauf mit beiden Füßen zu stehen. Was die, die sich darauf setzen wollen, wenig erfreut. Lars hat die Theorie, dass es sich vielleicht um ein Missverständnis handeln könnte, schließlich gibt es in Mandena und Manantenia maximal Plumpsklos nach französischem Vorbild: Ein Loch im Boden, auf dessen Rand man die Füße stellt. Frank meint dazu nur, er habe einen interessanten Skorpion an der Wand des Klohäuschens gefunden. Das ist auch durchaus interessanter als Fußspuren auf der Klobrille.
Nach dem Frühstück geht es auf in den Wald. Es ist wie gestern – anstrengend, steil und verschwitzt. Schluchten runter, Schluchten rauf, über Bäche und Baumstämme. Die Rucksackträger helfen, wo sie können. Der Schweiß läuft in Strömen, auch wie gestern. Nur diesmal mit dem Ziel, die Seidensifakas wiederzusehen. Und Nestor weiß, wo sie sind. Jetzt versuchen wir, ihn wiederzufinden. Mitten im Regenwald. Eine kleine Familie aus vier Seidensifakas ist es, die momentan in der Nähe (Nähe ist sehr relativ, wenn man querfeldein durch den Regenwald kriecht) des Camps leben. Seidensifakas werden „die Engel des Waldes“ genannt – ich finde, es stimmt auch. Denn tatsächlich sieht man nur weiße Schatten, wenn sie von Baum zu Baum springen. Aber vielleicht können Fotos das auch besser transportieren als Worte.
Nestors Grinsen geht nicht mehr aus seinem Gesicht. Er ist zufrieden. Oben in der Hütte wird der gelungene Tag bereits gefeiert. THB-Dosen wandern über den Tisch. Rucksackträger und Guides haben sich heute ein Feierabend-Bier mehr als redlich verdient. Biltong und Nüsse kommen dazu. Es wird eine große, fröhliche Runde. Erst zum späten Mittagessen löst sich die Runde langsam auf. Denn wer Madagasse ist, will vor allem Reis essen – das Huhn und der Tomatensalat sind da eher schnöde Beilage. Das ist bei den Vazaha eher andersherum.
Am Nachmittag bin ich echt müde. Eigentlich könnte ich jetzt ein Nickerchen machen – aber erfahrungsgemäß schläft man dann hier nachts nicht. Ich raffe mich also zu nützlichen Dingen auf: Wäsche im Wasserfall waschen zum Beispiel. Libellen fliegen in der Sonne über dem Wasser. Kleine gelbe und große, schwarz-weißen Schmetterlinge flattern von Blüte zu Blüte im Gebüsch. Eine dicke Schildechse beobachtet mich neugierig. Als ich mich zu ihr umdrehe, platscht sie erschrocken durchs Wasser auf die andere Seite des Felsens. Später fotografiere ich gemeinsam mit Markus dann doch noch ein paar Tiere. Ein junger, sehr hell gefärbter Uroplatus cf. giganteus, diverse Frösche, Mantiden und Phasmiden, ein Uroplatus fivehy ohne Schwanz.
Als die Sonne unter geht, regnet es. Nicht so ein Regenwaldschutt wie vorgestern, eher sanft und ruhig. Trotz des Regens sind viele Glühwürmchen unterwegs. Sie leuchten allerdings nicht durchgehend, eher immer mal wieder blinkend, als hätten sie einen Wackelkontakt. Vielleicht sind es Jirama-Glühwürmchen. Zwei neue Gäste sind ins Camp gekommen, ein madagassisches Paar samt einem local guide. Sie waren schon vor zwei Stunden da, sind aber direkt zu den Seidensifakas aufgebrochen und erst jetzt wieder zurück. Zum Glück ist noch ein einziger Zeltplatz frei, auf dem sie ihr Zelt aufschlagen können. Man unterhält sich freundlich.