Ich habe richtig gut geschlafen. Die kühle Luft ist echt super. Nachts hat es ein bisschen geregnet und ziemlich gestürmt. Am Morgen geht das Zelt auf, die Reißverschlüsse surren… erstmal Schuhe suchen, anziehen und dabei nicht umfallen. Ein gegähntes „Mooorgnnn“ Richtung Gerd und Elke, die im Zelt diagonal links gegenüber nächtigen. Andrea und Antonella sind selbstverständlich schon wach und genießen ihren frühen 6-Uhr-Kaffee. Ich genieße eine Cola wie immer und klaue mir aus Nainas Pfanne eine frisch frittierte Banane… Mmmmh! Crêpes gibt’s auch, davon aber nur einen.
Gegen neun oder zehn Uhr brechen wir zur Grande Cascade auf, dem großen Wasserfall. Diesmal bin ich mit Tanalas Fotogruppe unterwegs (Lore, Stefan, Gerd, Stefan und Martin). Es geht durch den fantastischen Regenwald, den man mit Worten überhaupt nicht beschreiben kann. Riesige Bäume, Lianen, Orchideen und andere Epiphyten, moosbewachsene Stämme, Farne wohin man blickt. Das Grün scheint einen zu umfangen, Lichtflecken strahlen durch das dichte Blätterdach… traumhaft. Der Boden ist weich und federt beim Laufen – wenn man nicht gerade über Wurzeln und Steine fällt. Es geht Hügel hoch und runter (auf dem Hinweg mehrheitlich runter) und auf einmal wird der Weg extrem rutschig. Der Boden besteht aus Stein, teils grünlich mit dünnem Moos bedeckt, dazwischen Laubflecken. Tritt man auf den Stein, ist der Effekt wie Schmierseife. Also immer schön auf den Laubflecken oder am Rand auf Pflanzen laufen. Ich rutsche zwar mehrfach wie alle anderen auch, aber ganz zum Hinfallen langt es nicht. Der Weg dürfte bei Regen ziemlich fies sein.
Unterwegs gibt es noch den ein oder anderen Blattschwanzgecko zu entdecken. Wie genau Angelin diese Meisterwerke der Tarnung findet, ist mir ein Rätsel. Er zeigt einfach irgendwo ins Gebüsch und sagt: „Look! Do you see it? It’s so wonderful! In it’s natural habitat!“ und alle schauen hin. Nur erkennt keiner was, selbst wenn Angelin den „Hier suchen“-Ausschnitt auf weniger als einen Quadratmeter reduziert. Dann lacht er sich kaputt, wenn niemand das Tier sieht und präsentiert es schließlich voller Stolz seinen Gästen. Die Blattschwanzgeckos sind einfach der Wahnsinn. Der größte Blattschwanzgecko der Welt, Uroplatus giganteus, ist allein auf Grund seiner Größe sehr beeindruckend, und dazu noch äußerst freundlich. Zwei kleinere Uroplatus finiavana tragen eine wunderschöne Zeichnung. Einer davon ist gerade in Häutung, was ein wenig aussieht, als hätte er einen Schlafanzug an. Nach langem Weg werden wir mit toller Aussicht belohnt, von einer kleinen umzäunten Plattform aus kann man den großen Wasserfall, sehen. Ein Ausblick direkt ins Paradies.
Der Rückweg ist lang und anstrengend. Der Schweiß läuft und nach jedem Hügel, denn man gerade runter ist, geht es auch schon wieder steil nach oben. Eigentlich geht es fast nur nach oben. Die Anstiege wollen einfach kein Ende nehmen. Noch ein Hügel…noch einer…noch einer. Angelin lacht über die lahmen Europäer, die bei jedem Schritt mehr ächzen und literweise Wasser in sich reinkippen. Recht hat er, muss ziemlich lustig sein, uns zuzugucken. T-Shirts und Hemden sind so verschwitzt, dass man die trockenen Fleckchen an einer Hand abzählen kann. Das Schweißfleckenraten kann nun getrost in trockene-Stellen-finden übergehen. Das dürfte ungleich schwieriger werden.
Kaum im Camp angekommen und was gegessen, ist die Welt auch schon wieder in Ordnung. So anstrengend war’s ja doch nicht! Und der Regenwald ist wirklich traumhaft. Das Wetter könnte übrigens auch nicht besser sein: Ein strahlend blauer Himmel lässt das Grün des Regenwaldes noch satter wirken.
Zur Krönung des Tages gibt es auch noch etwas ganz Besonderes: Angelin hat ein weibliches Furcifer timoni gefunden. Und nicht nur das, Christian findet noch etliche weitere Tiere rund um den Campground. Eines zauberhafter als das andere. Das Furcifer timoni entdeckt irgendwann plötzlich das junge Calumma ambreense-Männchen und ärgert sich darüber so, dass plötzlich schwarze Streifen auf ihrem Körper sichtbar werden, die sich perfekt gegen das Knallgrün abheben. Es ist absolut faszinierend, welche Wunderwerke die Natur des Montagne d’Ambre hervorbringt.
Abends sitze ich gemütlich in der improvisierten Küche, wir trinken THB und Eric zerteilt die frisch geschlachteten und gerupften Hühner für das morgige Essen. Er braucht pro Huhn keine fünf Minuten und trifft dabei nicht mal irgendwelche Eingeweide. Alles sauber getrennt und entweidet. Als Armin interessiert fragt, was denn da eigentlich die Nieren an dem Huhn sind, gibt es kurzerhand eine kleine Hühner-Anatomie-Stunde am Abend. Was mir einen zweiten Spitznamen einbringt, den ich leider mangels besonders vieler Malagasy-Kenntnisse nicht wiedergeben kann. Zu meinem Erstaunen muss man aber auch gar nicht soviel Madagassisch können, um der abendlichen Gesprächsrunde zu folgen. Mit meinem äußerst geringen Wortschatz und ein wenig Beobachtung lässt sich meistens zumindest das grundlegende Thema, um das es sich dreht, aus den Gesichtern lesen.
Als es dunkel genug ist, wandern wir noch einen kurzen Weg zum kleinen Wasserfall, der nur wenige Gehminuten vom Campground entfernt liegt. Er ist fady, darf also nicht betreten werden. Aber gegenüber des Wasserfalls gibt es eine kleine Plattform, von der aus man Fotos machen kann. Die Wände sind moosig und nass, überall tropft das Wasser herunter. Ein nasser Nebel sprüht bis zu uns herüber. Im Schein der Kopflampe glitzert der Wasserfall gespenstisch. Die grünen Farne, die die Lampen anleuchten, scheinen sich im Wind leicht zu wiegen. Auf dem Weg zurück fällt mein Blick in den Sternenhimmel – und der ist grandios, fast schon unbeschreiblich. Soviele Sterne habe ich noch nie zuvor gesehen. Keine einzige Lichtquelle stört, wir sitzen in absoluter Dunkelheit und schauen in das glitzernde Himmelszelt. Unmengen von Sternschnuppen huschen durch die Sternenkuppel. Sogar die Milchstraße kann man mit bloßem Auge sehen. Der Zauber der Bernsteinberge hat mich längst in seinen Bann gezogen. Hier möchte ich gerne wieder herkommen. Um noch mehr Tiere zu entdecken, um die sagenhafte Natur zu genießen und um in den grandiosen Sternenhimmel zu schauen.