Nordwesten 2020

Krisenstimmung

Auf dem Weg nach Ankarana

Der Morgen startet mit einer weiteren Corona-Krisen-Sitzung. Nach längerem Hin und her beschließen wir gemeinsam, weiter nach Ankarana zu fahren. Neue Informationen bezüglich gehender oder ausgesetzter Flüge oder des madagassischen Lockdowns gibt es nicht. Auch von Seiten der deutschen Botschaft in Antananarivo hört man nichts, genauso wenig von den Airlines.

Mit den Landcruisern geht es vorbei an den Mangroven in Richtung Ambanja, um zu tanken. Die Sonne steht bereits strahlend am blauen Himmel. Ein schrottreifer Kombi tuckert gerade von der Tankstelle herunter. Die Heckscheibe ist durch eine ramponierte Plastikfolie ersetzt. Das ganze Auto hängt nur wenige Zentimeter über dem Boden. Der ursprünglich vermutlich blaue Kombi hält bereits nach wenigen Metern an. Ein Mann steigt aus, reißt die Motorhaube nach oben und es raucht. Wenig später hält ein vorbeifahrender Taxibrousse-Fahrer an und versucht, den Kombi mit einem sehr dünnen Seilchen abzuschleppen. Frauen in bunten Tüchern laufen vorbei, sie tragen Bastkörbe auf den Köpfen. Wir decken uns derweil mit Diesel, Keksen und Getränken ein.

Dann geht es in den Norden. Die Straße ist über weite Strecken gerade, das Grün zu beiden Seiten dicht und hoch. Immer wieder verwandelt sich der löchrige Asphalt in staubige Pisten, deren Löcher sogar dem ein oder anderen Unimog Probleme bereiten. Wir passieren leuchtend grüne Reisfelder, Palmen und riesige Mangobäume mit dichtem Unterholz, weite Grasflächen mit einzelnen Zebus, kleine Äcker und eine Vielzahl von Bananenstauden um kleine Holzhüttendörfer. Je weiter wir kommen, desto mehr zieht sich der Himmel zu. Am Mittag beginnt es zu nieseln. Die „Straße“ besteht stellenweise aus fünfzig Meter langen Schlammsuhlen. Teils ist die Fahrspur über Dutzende Meter so tief wellig in den Boden gegraben, dass man beim Durchfahren nicht mehr aus dem Fenster schauen kann.

Wir erreichen eine Baustelle, an der geschäftig gearbeitet wird. Hier ist wohl eine Brücke eingestürzt. Ein provisorisches Betonschild weist den Weg zu einer Umleitung: Einem Steg aus Laterit knapp über dem Wasser. Der Weg wird zunehmend schlammiger und rutschiger. Dass man hier noch immer auf einer Route Nationale fährt, kann man da schon mal vergessen. Die Schlammsuhlen sind dank des Regens der letzten Tage inzwischen kniehoch mit Wasser gefüllt. Wir erreichen Ambilobe und machen für ein kurzes Mittagessen Pause. Eine weitere Ersatztrasse an der im letzten Jahr eingestürzten Brücke erwartet uns danach. In der Ferne zieht eine Regenwand auf.

Als die Straße im großen Bogen den Hügel in Richtung Mahamasina hinauf führt, beginnt es zu regnen. Nicht nur ein bisschen, es schüttet. In wenigen Minuten bilden sich Sturzbäche auf der Straße. Die Sicht auf die vielen Schlaglöcher wird schlechter und wir kommen nur noch sehr langsam voran. Kein Mensch kommt uns mehr entgegen. Schnell haben wir den Sichtkontakt zu den anderen Autos verloren. So langsam wird es ein bisschen unheimlich: Das miese Wetter, dazu die gefährlich schlechte Straße und wir irgendwo im Nirgendwo mittendrin.

Auf dem Weg nach Ankarana

Am Nachmittag erreichen wir Mahamasina. Das kleine Dorf hat sich nicht verändert. Laurent begrüßt uns und weist uns die schönen, großen Bungalows zu. Kaum parken alle unter dem riesigen Baum zwischen den Bungalows, hört der Regen auf. Die Vorbereitungen fürs Abendessen laufen bereits. Der Reis muss erst noch entspelzt werden, deshalb kann es hier sehr lange dauern, bis auch wirklich etwas auf dem Tisch steht. Gegenüber des Restaurants sitzt ein wunderschönes Pantherchamäleon mit wunderschön leuchtenden Farben im Gebüsch.

Furcifer pardalis

Nach dem Abendessen erkunde ich noch ein wenig mit der Stirnlampe das stockfinstere Gelände. Etliche Furcifer oustaleti und ein paar Furcifer pardalis-Jungtiere sitzen in den Bäumen und Büschen. Während der Trockenzeit ist es hier in Ankarana sehr trocken. Der Regen jetzt gerade jedoch beflügelt die Reptilien, dann finden sie genug Insekten zu fressen und die Jungtiere schlüpfen aus ihren Eiern. In einer riesigen Astgabel sitzt ein Wieselmaki und beobachtet mich neugierig. Bis ich Katie und Philipp Bescheid gesagt habe, sitzt er erstaunlicherweise immer noch da, in der gleichen Position. So häufig sieht er wohl keine Zweibeiner mit Licht am Kopf herumlaufen. Ich entdecke eine Fledermaus nur wenige Meter weiter. Als ich sie den beiden anderen zeigen will, leuchte ich mit der Taschenlampe stattdessen einen Flughund an, der sofort davon fliegt. Die Fledermaus finde ich nicht mehr wieder. Weiter hinten entdecke ich noch einen kleinen Tanrek, der geschäftig durchs Gras flitzt.

Schließlich wandere ich zurück zum Bungalow. Eine Dusche mit Chlorwasser später liege ich im Bett und versuche, das Moskitonetz zu befestigen. Die Fenster müssen heute Nacht sperrangelweit offen bleiben. Anders ist das bei der Hitze nicht machbar. Mal sehen, was der Tag morgen bringt. 

Veröffentlicht von Alex

Alex ist 35 Jahre alt, wohnt in der Nähe von Mainz und ist im echten Leben fernab des Urlaubs Tierarzt mit Faible für Reptilien. Sie fotografiert und reist gerne - so entstand auch dieser Blog. Nebenbei hält sie selbst Chamäleons zu Hause, schreibt an wissenschaftlichen Veröffentlichungen, betreibt ein kostenloses OnlineMagazin und erstellt Malbücher für madagassische Kinder.

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