Um halb Sieben werde ich geweckt, weil irgendein Franzose an die Zimmertür klopft. Tanala wankt schlaftrunken zur Tür. Der ältere Herr findet sein Zimmer nicht. Nun, das hier ist es definitiv nicht. Das Bett ist übrigens unglaublich laut. Bei der kleinsten Bewegung knarzt das Holz, als wolle es auseinanderbrechen. Ich habe mäßig geschlafen und entwirre das Moskitonetz, um ins Bad zu gehen. Am Waschbecken schießt mir das Wasser in alle Richtungen entgegen, nur nicht in eine Richtung durchgehend, es wechselt ständig. Damit eine Zahnbürste zu treffen, gestaltet sich schwierig. Die Dusche ist dafür echt gut. Allerdings recht duster, denn gerade herrscht ein erneuter Stromausfall. Tanala bringt im Bad die Campinglampe als Ersatz an. Die kann auch hübsches Puffrot.
Das Frühstück wird dank Quarantäne aufs Zimmer geliefert. Ich frühstücke auf dem Boden des Balkons mit Baguette, Marmelade, Tee – draußen nur Kännchen – und einem rosafarbenen Saft. Rechts und links schließt sich übrigens an unseren Balkon jeweils ein weiterer an. Wir rollen die Vorhänge dazwischen ordentlich hoch, dann kann man sich wenigstens gescheit unterhalten. Rechts sind Jutta und Lars, links sitzt Martin. Chrissi und Markus sind unten, Markus allerdings hinter einem großen Busch und so weit weg, dass man sich mit ihm nur rufend unterhalten kann. Lars reicht Lesematerial von Quarantänezimmer 6 in die 7 und die 7 reicht es in die 8. Die Sessel von drinnen wandern auf die Balkone. Früh fließt das erste THB, was soll man sonst auch machen? Anstoßen kann man zumindest balkonübergreifend. Angetüddelt fange ich an, eine meiner beiden Taschen auf 20 kg abzuspecken. Für Sambava. Falls ich fliege. Seufz.
Gegen Mittag taucht ein kleines, graues Furcifer oustaleti im Baum direkt vor dem Balkon auf. Dank der quarantänebedingten Langeweile muss das kleine Chamäleon, das von Ast zu Ast wackelt und dabei zahlreiche kleine Insekten schießt, für ein erstes Fotoshooting mit dem Teleobjektiv herhalten. Rechts in der Palme vor dem Nachbarbalkon sitzt außerdem ein ebenso kleines, aber knallgrünes Furcifer oustaleti. Außerdem fliegen diverse rote Fodys, kleine spatzenähnliche Vögel, hin und her. Zum „Einschießen“ mit der seit zwei Jahren nicht mehr genutzten Kamera reicht das allemal.
Pünktlich zu Mittag wird Frank in den Hof geliefert. Er ist schon seit zwei Wochen auf Madagaskar und hat die Quarantäne längst hinter sich, darf sich also frei bewegen. Wir unterhalten uns vom Balkon nach unten. Frank verschwindet nochmal zu einem Meeting in der Stadt.
Auch das Mittagessen wird ins Zimmer geliefert. Kontaktlos ist das nicht wirklich, aber schließlich soll es hübsch hingestellt werden mit Serviette und so. Es gibt Rindfleisch an Gemüse und Knoblauch. Die THB-Lieferungen stagnieren etwas, da wir oben auf den Balkonen darauf warten müssen, dass zufällig jemand unten vorbeiläuft und eine zugerufene Bestellung aufnehmen will. Markus hat das im Erdgeschoss besser gelöst: Er hat einem jungen Mann im weißen Hemd 10.000 Ariary in die Hand gedrückt. Seitdem läuft es unten mit dem THB wie geschmiert.
Am frühen Nachmittag stehen plötzlich Dimby und Mapy unten auf dem Weg vor den Balkonen. Wir grüßen von oben. Man winkt sich zu. Mann, Quarantäne ist doch echt scheiße, wenn man sich so von Weiten nur zuwinken kann. Die beiden verschwinden in Richtung Rezeption. Dann klopft es plötzlich an der Zimmertür. Dimby und Mapy stehen lachend vor der Tür. Und es fließen einige Freudentränen über das lang ersehnte Wiedersehen. Die Umarmungen wollen gar kein Ende nehmen. Auch die Quarantänisierten der Nachbarbalkone werden herzlich begrüßt. Dimby erzählt, wie surreal das alles ist. Die ewige Warterei, die Pandemiezeit ohne Gäste und ohne Reisen, jetzt uns hier zu sehen. It feels not yet real. Das Erdgeschoss bekommt das freudige Hallo dann auch mit. Prompt stehen auch Markus und Chrissi, die gar nicht aus ihren Zimmern dürfen, vor der Tür. Eine fröhliche Quarantäne-Bierrunde entsteht. Mapy hat Mangostan mitgebracht, die direkt verzehrt werden.
Nach einer halben Stunde verlassen Dimby und Mapy unsere Quarantäne wieder. Und wir warten. Und warten. Dimby hat berichtet, dass die meisten PCR-Ergebnisse noch am Abend des Tages nach der Anreise kommen. Er wird von der Rezeption angerufen, hat er vereinbart. Bis zum Abendessen ist immer noch kein Ergebnis da. Dafür ist es um 18 Uhr schon stockfinster, wie immer auf Madagaskar. Meine Laune ist erstaunlich gut, ist ja schließlich auch schon reichlich Bier geflossen. Das Abendessen wird sogar auf dem Balkon serviert – auf dem Tisch, der mittlerweile auch nach draußen gewandert ist. Er passt nicht so gut zu den Sesseln, oder die sind zu niedrig für den Tisch, wie man’s sieht. Tanala und ich verspeisen ein semiromantisches Candle light diner mit der roten Campinglampe. Ich finde die Campinglampe blinkend lustiger, Tanala nicht.
Kurz vor 20 Uhr klingelt Tanalas Handy. Und Dimby ist dran. Die Leitung ist leider grottenschlecht, Dimby hat es mit Videocall versucht. „Âllooo??? Âllooohooo?“ „Huhuuuu?“ Tanala brüllt ein nervöses „What’s up with the results?” dazwischen. Zurück kommt nur ein fragendes „Âllooooo? Huuuhuuuuu, âllo âlloooo!“ Nach einigen Nerven aufreibenden Minuten, die von nervösem Kichern der Biertrinker begleitet werden, steht dann fest: Alle sind negativ. Das Ergebnis der PCR-Tests führ zu lautstarken Freudenausbrüchen. Sogar Markus und Chrissi, die eigentlich gerade schon ins Bett gegangen waren, finden nochmal den Weg in Nummer 7. Jetzt dürfen ja alle! Die Nachbarn schwingen sich über die Balkonbrüstung – die einen eleganter, die anderen Glas zerdeppernd weniger. Spontan fließt noch mehr THB, dazu kommt Ingwerrum in halb vollen Whiskeygläsern. Irgendwann torkeln alle in ihre Betten. Dass wir morgen los dürfen, fühlt sich noch völlig surreal an.