Norden 2013

Sonne, Hitze, Nachzuchtfarm

Andasibe
Blick auf den See vom Frühstück aus

Kurz nach 6 Uhr, es ist gerade hell – und VERDAMMT KALT.  Jetzt weiß ich auch, warum in dem Bungalow drei Decken übereinander liegen. Haare waschen fällt aus, ohne Föhn frier ich mir da ja das Gehirn weg. Kurz vor Sieben: Fällt doch nicht aus. Es wird schon wärmer. Übrigens habe ich einen gewissen Vorteil, so weit oben zu wohnen und jeden Tag zigmal die steilen Treppen zu erklimmen: Ich krieg als erstes warmes Wasser, weil der Warmwassertank direkt hinter meinem Bungalow steht.  Und warm… ja, es ist wirklich seeeehr warm, um nicht zu sagen kochend heiß. Wer mal seine Haut kostengünstig pellen möchte, hier ist der perfekte Ort. Also am besten erstmal das Wasser einstellen und dann erst drunterstellen, andersrum ist es ziemlich gefährlich.

Ein guter Tag beginnt mit einem Zebu-Sandwich – tut er auch heute. Gegen neun Uhr brechen wir auf und lassen Andasibe hinter uns. Ein wunderschönes Fleckchen Erde. Wir fahren zur ehemaligen Nachzuchtfarm in Marozevo nahe Mandraka. Unterwegs halten wir mal wieder zur Pipipause mitten an einer Straße. Sofort kommen Frauen und Kinder angelaufen, um uns kleine gelbe und rote Früchte zu verkaufen. Heidi sagt, es seien „Mispeln“? Noch nie gehört. Die roten sind Guaven, die habe ich schon mit Daddy im Regenwald in Analamazotra probiert. Jeder kauft ein paar, für 2000 Ariary bekomme ich mehrere Schüsseln in eine grüne Plastiktüte geschüttet. Und wie schön das klebt im Bus, wenn man die Dinger schält und isst!

Nachzuchtfarm Mandraka
Nachzuchtfarm in Marozevo

Über einen schmalen, steilen Weg kommt man auf den „Parkplatz“ der Farm nahe Mandraka, die auf einem schrägen Hang liegt. Links sind Wohn- und Officegebäude, rechts befinden sich große Volieren, alle mit Schlössern gesichert. Den Hang nach oben gelangt man zu weiteren Volieren, teils mit Backsteinen erbaut. Einige Schulklassen sind auch gerade da. Früher diente die Farm dem Export und in etwas größerem Stil der Nachzucht zu Erhaltungszwecken, heute ist sie eher eine Art verkommener Zoo. Nachgezogen werden trotz erstaunlichem Artenreichtum gerade mal 100 Tiere pro Jahr. Der Besitzer der Farm ist allerdings auch krank und derzeit deshalb in Paris, kann sich also nicht mehr persönlich um seine Farm kümmern.

Wir teilen uns in die üblichen Gruppen auf, es ist affenheiß, ich schwitze schon nur vom Gucken. Also erstmal eine Runde Sonnencreme für alle – hätte ich sie denn nicht in den großen Rucksack gepackt, der brav auf dem Dach verzurrt ist. Glücklicherweise kann Elke mit Sonnencreme aushelfen. Wir betreten die erste Voliere. Sie ist schön bepflanzt, die Blattschwanzgeckos und Chamäleons fristen ihr Dasein jedoch in kleineren Holzvolieren.  Letztere sind relativ dunkel, mit Futtertieren ziemlich überbevölkert und es ist nichts drin außer drei, vier Rindenstücken und einigen winzigen Pflanzen am Boden. So sieht’s zumindest bei den Geckos und Brookesia aus, bei einigen anderen Chamäleons und den Schlangen gibt es wenigstens viele Äste.  In anderen Volieren mit Pantherchamäleons laufen die Tiere frei herum, die Phelsuma  grandis dagegen haben eine Voliere mit etwa 200 Tieren gemeinsam. Entsprechend ramponiert sind die meisten Taggeckos auch.

Zum Fotografieren bietet die Farm natürlich unendlich Motive: Vom Tomatenfrosch über Uroplatus giganteus bis hin zu Calumma globifer ist alles dabei. Wobei die Frösche sich als eher undankbares Motiv erweisen, sie wollen halt nicht stillsitzen. Pflopp… weggehupft. Dafür stellen sich die Langaha und Sanzinia-Babys als enorm freundlich heraus, lassen sich sogar auf die Hand nehmen. Okay, bevor das kleine Ding zugebissen hat, hab ich’s dann doch wieder zurückgesetzt. Aber so ganz mein Ding ist das nicht hier. Ich beobachte die Tiere dann doch lieber in ihrem echten Lebensraum, anstatt von Voliere zu Voliere zu tingeln. Im Regenwald verdient man sich die Fotos wenigstens antrengend!

Mittags fahren wir einige hundert Meter weiter ins Dorf Mandraka, um etwas zu essen. Am Straßenrand liegt ein kleines Restaurant, in dessen Räumen wir die Tische zusammenschieben. Etwas zähes Zebu mit Unmengen Reis gibt’s, mit THB kann man alles runterspülen. Kühles THB gibt’s überhaupt anscheinend auch in den letzten Ecken Madagaskars. Und im Gegensatz zu einigen Colaflaschen aus den frühen 70ern hat das Bier offensichtlich genug Umsatz, um nicht älter als ein paar Jahre zu sein. Ohne rostende Kronkorken. Auf der Straße laufen wie immer Frauen und Kinder herum, die auf großen Blechplatten Obst anbieten – oder einfach nur auf dem Kopf um uns herum balancieren. Lore kauft Bananen und mit etwas Übersetzungshilfe schafft sie es auch, merkwürdige rote, steinharte Früchte zu kaufen, die ich dann probiere. Ja, schmeckt nach nix, dafür sind die Bananen super.

In geselliger Runde nach dem Essen
In geselliger Runde nach dem Essen

Nach dem Mittagessen suchen wir ein Klo. Das Restaurant hat auch eins, man geht durch den Hinterhof, an einem Waschbecken vorbei fünf Stufen nach unten und steht vor einer Baracke mit blauen Türen. Auf einer der Türen steht WC, auf den anderen nicht. Gerd öffnet die linke, guckt hinein und beschließt, dass das Buschklo doch eine fantastische Alternative ist. Martin schließt sich dem an. Ich benutze das Klo mal, allerdings ohne irgendwas zu berühren. Das geht verdammt in die Beine! Die Nase hab ich auch kurzfristig abgeschaltet, der Güllegeruch ist ziemlich umwerfend.  Es ist auch ziemlich dunkel, hat aber auch seine Vorteile, wenn die Tür zu ist. Man sieht dann nicht mehr so genau, was da alles so an der Kloschüssel und auf dem Boden klebt. Ob die Zeitungsknäuel in dem Korb eigentlich als Klopapier dienen oder schon benutzt sind, lässt sich nicht so genau sagen. War mal eine Erfahrung wert.

Es geht zurück nach Tana. Im Bus bietet Daddy uns eine seiner Orangen an, als ich neugierig frage, was das ist. Schmecken allerdings wie Zitronen und sehen auch so aus. Die Straße ist wieder gesäumt von unendlichen Reisfeldern. Noch eins und noch eins und noch eins… Die Taxibrousse –  grundsätzlich mit über 20 Leuten gefüllt, die Tür hinten steht auf und mindestens ein Mensch hängt in der offenen Tür, das Dach mit allerlei Unrat überladen – fahren wie die Henker. Ansonsten kriechen wir mal wieder hinter irgendwelchen LKWs her. Zwischen vielen regelrechten Hausburgen und palastähnlichen Anlagen mit riesigen Mauern, mehrgeschossigen hellen Steinhäusern und Co stehen völlig zugemüllte Hütten und Bruchbuden. Der Verkehr ist irgendwann nur noch ein einziger großer Stau. Wir kämpfen uns im Schritttempo durch Tana.  Rechts und links von uns Geländewägen, Taxibrousses, Roller, kleine Motorräder, Zebukarren und Pousse-Pousses. Jeder fährt , wie er will, Ordnung gibt es keine und wie die Fahrradfahrer hier überleben, weiß der Himmel. Ich habe keine Ahnung, wie die Fahrer hier durchkommen.  Jeder Kreisel bedeutet etwa 30 Minuten Stehen und immer wieder ein paar Meter vorwärts schieben, umgeben von Kindern und Verkäufern. Angeboten wird einem am Fenster alles, vom Handtuch über ominöse Handys bis zu Obst.  In Tana machen wir noch einen Zwischenstopp im Supermarkt, um Getränke und Kekse für die lange Fahrt morgen zu kaufen.

Antananarivo
Vororte von Antananarivo

Gegen Abend, es ist längst schon wieder dunkel, kommen wir in der Résidence de Raphia an. Ich habe Zimmer 12 – rechts am Haus vorbei über den Parkplatz, dann links einen sehr engen kleinen Gang durch (den Rucksack muss man quer tragen, sonst bleibt man stecken), das letzte Zimmer am Platz sozusagen. Innen aber sehr sauber. Während ich im Bad bin, sehe ich eine etwa sechs Zentimeter große Schabe über den Boden wandern. Ich taufe sie Fridolin. Fridolin hat anscheinend auch noch ein paar Freunde. Aber wen stört’s, das Zimmer ist sonst bestens! Dimby sammelt das Geld für die Inlandsflüge ein – 618.000 Ariary pro Nase. Nach einer halben Stunde sitzt er vor einem ganzen Haufen Geldscheine, der höchste Ariaryschein sind eben nur 10.000 MGA –  das entspricht etwas über 3 €.

Zum Abendessen gibt’s Tornedos (Zebu-Filet, aber massaka tsara) mit Knobi-Kartoffeln. Sehr lecker, obwohl Ingwer drin ist. Mit Ingwer spart man auf Madagaskar nicht, es soll ja die Potenz fördern und überhaupt sehr gesund sein. Der Geschmack ist für den Durchschnittseuropäer etwas gewöhnungsbedürftig. Ich bin pappsatt. Noch ein letztes THB, dann geht’s ab unter die Dusche und ins Bett.

 

Veröffentlicht von Alex

Alex ist 35 Jahre alt, wohnt in der Nähe von Mainz und ist im echten Leben fernab des Urlaubs Tierarzt mit Faible für Reptilien. Sie fotografiert und reist gerne - so entstand auch dieser Blog. Nebenbei hält sie selbst Chamäleons zu Hause, schreibt an wissenschaftlichen Veröffentlichungen, betreibt ein kostenloses OnlineMagazin und erstellt Malbücher für madagassische Kinder.

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