Das Frühstück im Hotel lasse ich heute aus. Nur ein paar Meter vor dem Hotel rechts den Sandweg entlang gibt es einige kleine Holzhütten, die Makasoaka für 100 Ariary pro Stück anbieten. Mmmh… den gleichen Weg laufen wir später alle zusammen entlang, um Pantherchamäleons zu suchen. Unterwegs finden wir einen Zimtbaum, und die noch grüne Rinde riecht schon stark nach dem weihnachtlichen Gewürz. Hinter den letzten Ausläufern der Stadt ist das ideale Gelände für Chamäleons: Relativ offenes Gelände, Gebüsch, Bäume, wenige Hütten dazwischen, kein dichter Wald. Doch obwohl wir gemeinsam mit Augustin über Stunden etliche Kilometer entlang des Sandpfades suchen, finden wir kein einziges Furcifer pardalis. Ich vermute, es hängt mit dem Wetter zusammen – der Himmel ist bedeckt, die Sonne traut sich nicht hervor und es ist relativ kühl. Ich bin ziemlich enttäuscht, denn sonst gibt es in der Gegend unzählige Chamäleons zu finden. Bei einigen Hütten, die sich selbst ein eigenes Dorfschild gebastelt haben, fragt Augustin Anwohner nach Chamäleons – aber auch sie haben heute noch keine gesehen. Zu meinem Erstaunen haben sie vor den Hütten Schweine angebunden, und auch zwei Kilometer weiter kurz vor Maroantsetra entdecke ich eingepferchte Schweine, die offensichtlich zur Mast gehalten werden. Auf dem Rückweg kaufe ich noch ein paar frittierte Bananen für kleines Geld. Ein kleiner Junge, der gerade eben so schon laufen kann, sitzt mitten auf einer Kreuzung und verrichtet sein Geschäft, während er die weißen Vazaha mit großen Augen anschaut. Seine Mama sammelt ihn eilig ein, und ein dahergelaufener Hund übernimmt die Straßenreinigung. Augustin führt uns an den Strand direkt ans Meer. Hohe Wellen machen es den Fischern schwer, ihre Netze aus dem Wasser zu ziehen. In einigen Sträuchern mit glänzenden Blättern gibt es Frösche zu finden, und nicht zu wenige.
Auf dem Rückweg laufen wir an einer Schule vorbei. Die Kinder scheinen gerade Pause zu haben. Auf einem Baum turnt ein kleines Mädchen herum, und ich schenke ihr einen Luftballon. Das ist fatal. Kaum haben die anderen Kinder den Ballon entdeckt, möchten sie natürlich alle einen. Ich habe genug, und so verteilen Tanala und ich Unmengen bunter Luftballons an kleine dunkle Hände, die sich durch einen provisorischen Zaun strecken. Gegenüber steht ein kleiner Junge unter dem Obststand seiner Mutter und schaut uns misstrauisch zu. Einen Ballon nimmt er von uns nicht an, aber seine Mutter nimmt ihn lachend entgegen. Der Zaun, hinter dem die Schulkinder Kinder sich ordentlich aufreihen, neigt sich immer weiter bedrohlich dem Weg zu. Mit einem Mal macht es Kraaaaaach und der Zaun liegt am Boden, zig johlende und quietschende Kinder obendrauf. Bevor jemand uns entdeckt, verschwinden wir lieber. Wenige hundert Meter weiter fähr ein Laster an uns vorbei, der Benzinfässer geladen hat. Und sie sind offenbar voll – das Benzin schwappt bei jeder Bodenwelle aus den Containern heraus. Hinten steht ein Mann auf dem Wagen und hält die Fässer per Hand fest. Abenteuerlich, wie hier Benzin verteilt wird.
Kurz kehren wir ins Hotel ein, um uns bei einem schnellen Mittagessen und einer Cola zu stärken. Augustin zieht los, um nach Tomatenfröschen zu suchen, die es in und rund um die Stadt gibt. Gegen zwei Uhr starten wir zur zweiten Wanderung des Tages und laufen in die Stadt hinein. Irgendwo rechts führt Augustin uns eine kleine, dreckige Straße zwischen Wellblechzäunen in Richtung eines riesigen Marktes. Es ist der alte Markt Maroantsetras, und er ist voller Leben und sehr spannend. Unmengen kleine Stände reihen sich dicht aneinander, und angeboten wird so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Natürlich vor allem Reis und verschiedenes Obst, aber auch Dinge des täglichen Bedarfs, Fleisch (sogar Hack) und lebendes Geflügel, ordentlich zu Sixpacks in Körben verpackt. Es ist unheimlich dreckig, überall liegt Müll auf dem Boden. Auf dem neuen Markt, der vorne an der Haupstraße liegt, wurden inzwischen zentral Müllcontainer aufgestellt, und so bessert sich die Situation langsam. Es riecht nach Obst, Schweiß und Tieren. Hühner laufen zwischen den Ständen herum.
Augustin führt uns durch den riesigen Markt und durch die ein oder andere Ecke, die ich sicherlich nicht alleine besucht hätte. Ich erstehe eine knallgelbe Ananas, und sie riecht schon jetzt enorm lecker. Inmitten des alten Markts liegt ein hoch abgezäuntes Gelände. Auch hier soll ein neuer Marktbereich mit besser sortierten Ständen entstehen, ähnlich dem neuen Markt, zu dem wir natürlich auch noch einen Abstecher machen. Der neue Markt hat viele Stände aus hellem Beton, was den gesamten Markt zum einen mehr ordnet und natürlich viel standfester ist. Hier gibt es vor allem viele Sorten Fisch, und entsprechend riecht es natürlich.
Auf dem Rückweg ins Hotel schlendern wir durch die andere Seite Maroantsetras, zwischen Wohnhäusern, einer großen Kirche und einigen Schulen. Einige Klassen haben gerade Schulsport, und sind auf einem großen, ebenen Gelände am Joggen oder wärmen sich auf. In einer kleinen Straße bleiben wir vor einem umzäunten Gelände mit einem kleinen Steinhaus stehen. Augustin hat hier drei Tomatenfrösche gefunden und die Familie, der das Haus gehört, gebeten, sie kurz im Auge zu behalten. Vorbei an einer großen öffentlichen Toilette, einem flachen, übel riechendem hellen Gebäude mit Blechdach, gehe ich mit Augustin und Tanala in den Garten des Hauses. Voller Stolz zeigen zwei Frauen uns die Tomatenfrösche, auf die sie aufgepasst haben – sie sitzen mitten zwischen Laubhaufen und jeder Menge Müll. Tatsächlich kann man die Tomatenfrösche hier am leichtesten in den wenigen Abflussrinnen Maroansetras finden, auch wenn es dort grauenvoll stinkt und ich mir nicht sicher bin, was man sich darin alles an Parasiten und Ungeziefer einfangen kann.
Einer der Frösche hat ein blindes Auge, aber alle drei lassen sich geduldig fotografieren, sie hupfen nur ab und zu weiter. Einen halben Blecheimer voll Wasser findet sich auch, um die Frösche während des Fotografierens feucht zu halten. Da wir anscheinend direkt an einem Schulweg sind, dauert es keine Viertelstunde, bis unsere kleine Fotosession mit den Fröschen von neugierigen Schülern umrundet ist, die lachen und viel Spaß dabei haben, sich fotografieren zu lassen und die Fotos danach gemeinsam anzuschauen.
Augustin führt unsere Gruppe weiter durch Maroantsetra. Er hat in der Stadt letztlich doch noch Pantherchamäleons gefunden, allerdings handelt es sich um ein verletztes älteres Männchen und ein Jungtier. Ich gehe davon aus, dass diese Tiere einfach nicht in der Lage oder nicht erfahren genug waren, wie die anderen hoch in die Bäume zu verschwinden. Wir finden die beiden Tiere in einem Hinterhof zwischen ausgeschlachteten Autos und Müllbergen auf einem Baum. Auf die Wand ist mit schwarzer Farbe „Achtung Hund“ gemalt worden – besagter Hund stellt sich als kleines schwarzes Knäuel heraus, das müde mal den Kopf hebt, ihn aber bei Ansicht sovieler Leute auch schnell wieder auf den Boden sinken lässt. Das größere Männchen hat tolle rote Farben, aber auch einen sehr dicken Klumpfuß. Das Handgelenk und der Unterarm sind massiv angeschwollen, die Spuren auf der Haut stammen wahrscheinlich von einer Bisswunde, die sich jetzt entzündet hat. Armes Kerlchen. Umso munterer ist jedoch das kleinere Jungtier, ebenfalls ein Männchen, das aber natürlich noch nicht soviel Farben zeigen kann. Nach kurzer Zeit verlassen wir den kleinen Hinterhof und schlendern durch die Seitenstraßen Maroantsetras Richtung Coco Beach. Unterwegs entdecke ich Eukalyptus- und Nelkenplantagen, aber auch Kaffesträucher. Hier in der Gegend wird viel angebaut, und das meiste davon kenne ich gar nicht als Pflanze (Kaffee und Bananen mal ausgenommen).
Als wir zurück ins Hotel kommen, bitte ich die Mädchen um ein Messer und einen Teller (auf madagassisch!). Ich bekomme ein kleines Hackbeil und ein Holzbrett. Also schlachte ich die Ananas mit dem neuen Werkzeug, und sie ist wahnsinnig saftig und unglaublich lecker. Der gelbe Saft tropft mir an den Ellbogen herunter, so dass ich nach dem Genuss der Ananas erst einmal duschen gehen muss.
Das Abendessen ist heute sehr fix fertig, nicht einmal eine Dreiviertel Stunde warten wir darauf. Warum die Küche heute so schnell ist? Man weiß es nicht, aber ich freue mich einfach über die Nudeln (die nicht-vegetarischen, auch wenn der Möchtegern-Vegetarier sie ebenfalls bestellt hat, hihi). Einer der Hunde vom Vortag kommt während des Abendessens wieder zur Terasse. Er sieht gruselig aus, ist mager, der Rücken fast kahl und der rechte untere Eckzahn hängt schief aus seinem Maul. Später kommt Jean-Emil noch einmal für einen kurzen Plausch vorbei. Der Abend neigt sich früh seinem Ende entgegen.