Heute ist Abschied vom Palmarium angesagt. Um Sieben finden sich – mal wieder – Lemuren zwischen Tanalas und meinem und Björns und Stefans Bungalow. Die letzten Bananen werden verfüttert, und lustigerweise kommt einer der Guides mit neu angekommenen Gästen bis vor unser Bungalow, weil dort momentan jeden Morgen die Makis anzutreffen sind.
Nach dem Frühstück packe ich meinen Rucksack. Um halb Zwölf brechen wir auf, es geht mit dem Boot zurück nach Manambato. Natürlich nicht ohne Kabary – wir bedanken uns vor allem bei Olivier und Bruno, die mit uns die Wanderungen unternommen und für viele Tiersichtungen gesorgt haben, aber natürlich auch bei der Küchencrew und allen anderen Angestellten. Ich pflanze mich vorne auf den Bug des Bootes und genieße die warme Sonne und die tolle Aussicht. Auf dem Canal des Pangalanes halten wir irgendwann an einem hellen sandigen Weg, der vom Ufer einen kleinen Hügel nach oben führt. Der Weg führt zu einem kleinen Hüttendorf, und wir folgen ihm hinaus zu einem alten Bahnhof. Ob hier wohl noch Züge fahren? Es sieht nicht wirklich so aus.
Hinter den Gleisen geht es eine Düne nach oben, dann stehe ich direkt am Indischen Ozean. Und der ist gewaltig. Riesige Wellen brechen sich mit ohrenbetäubendem Lärm am Strand, und das obwohl das Wetter prima ist. Die Sonne scheint und der Himmel ist blau, ein paar vereinzelte Wölkchen ziehen vorbei. Viele Kinder aus dem Dorf sind uns neugierig gefolgt und spielen nun an den Wellen: Sie laufen dem zurückgehenden Wasser hinterher und rennen davon, sobald eine Welle kommt. Mir wird ein bisschen mulmig, denn darunter sind auch Kinder, die gerade erst laufen können – und die Wellen haben ganz locker etliche Meter. Als ich den Kindern im Dorf Fotos von sich selbst zeige, wollen sie mehr Fotos machen und posieren für die Kamera. Danach wird sich so um das kleine Display gedrängelt, dass ich fast hintenüber falle. Nach ein paar Minuten muss ich mich trotzdem von den Kindern verabschieden, sie folgen uns noch bis zum Boot und winken. Wieder setze ich mich ganz vorne auf’s Boot, und weiter geht es auf dem Canal des Pangalanes.
Eine gute Stunde später erreichen wir den See der Könige. Wieder fahren wird durch die niedrigen Zäune im Wasser, dann geht es mit erhöhter Geschwindigkeit über den See. Im Hotel Acasias machen wir eine Pause für ein paar Sandwiches, die dann dank der sehr langsamen Küche deutlich länger wird als geplant. Erst gegen halb drei können wir mit Christian und Rapha in unseren roten Bus steigen. Die sieben Kilometer offroad Strecke ist keinesfalls besser geworden seit unserer Ankunft, eher ist sie durch den Regen noch schlechter geworden. Hinter dem kleinen Fluss bleiben wir kurz mit durchdrehenden Reifen im Schlamm stecken, holpern über riesige Löcher und Christian quält den Bus, fröhlich vor sich hinpfeifend, die ein oder andere Buckelpiste nach oben. Endlich erreichen wir die RN2. Sie führt uns nach Andasibe und dankenswerterweise ist sie recht vernünftig asphaltiert. Unterwegs durchfahren wir Brickaville, eine lang gezogene Stadt mit einer großen weißen Stahlbrücke. Da gerade eine Eisenbahn über die Brücke kommt, stehen wir vor einer geschlossenen Schranke hinter zwei ebenfalls wartenden Taxibrousse. Wann steht man schonmal in Madagaskar an einer Schranke? Eine Dampflok kriecht langsam an uns vorbei, auf den Dächern der Güterwaggons sitzen Männer. Brickaville ist völlig überfüllt, wie fast alle großen Städte. Danach wird der Weg immer kurviger und kurviger. Dem ein oder anderen dürfte hier schonmal schlecht werden und ich nehme mich da gar nicht aus.
Noch eine Kurve und noch eine, und noch eine und noch eine. Zu der nicht einfachen Straße kommen viele, viele Lkws, die die Straße teilweise völlig blockieren. Überladen und mit rauchendem Auspuff kriechen sie die kurvigen Straßen nach oben, und das oft nur noch mit wenigen km/h. Viele transportieren nur einen einzelnen Container und haben den übrigen Platz mit tonnenweise Bananen oder Kohlesäcken aufgefüllt. Irgendwo hinter einer scharfen Kurve steht plötzlich ein einsamer Container mitten auf der Straße quer, aber Christian ist sehr aufmerksam und ein sicherer Fahrer. Er umkurvt das spontane Hindernis und wenige Meter dahinter entdecken wir auch den am Straßenrand parkenden Lkw, dem der Container wohl vom Anhänger gerutscht ist. Eine andere Merkwürdigkeit ist ein älterer Mann, der einen Hund an der Leine die Straße entlang führt. Ein seltener Anblick auf Madagaskar.
Als es dunkel wird, erreichen wir gerade Beforona. Erst eine Stunde später sind wir im Feon’ny ala, das einige Kilometer außerhalb Andasibes selbst liegt. Vieles hat sich hier verändert seit dem letzten Jahr. Ich habe mit Tanala Zimmer 210, eines der im letzten Jahr neu gebauten Bungalows. Es ist komplett neu gemacht, aus Stein statt Bastmatten gebaut, Bad und Toilette sind mit Türen vom Schlafzimmer getrennt. Der Sanitärbereich ist picobello blau gefliest, das Licht funktioniert (und ist auch noch hell). Neben dem Bett stehen zwei nagelneue Bürostühle. Als ich zum Restaurant komme, traue ich meinen Augen kaum: Die Terrasse ist verdoppelt worden. Wenigstens das Essen ist aber das Gleiche geblieben, ich suche mir Kokoshühnchen aus und zum Nachtisch frittierte Bananenstückchen mit dem leckeren Honig aus der Gegend.
Obwohl der Tag lang war und wir weit gefahren sind, möchten Nestor und Thoma uns noch ein paar Tiere zeigen. Knallbunte Boophis pyrrhus und weniger bunte Boophis madagascariensis, zwei Brookesia superciliaris unterschiedlichen Alters, ein Calumma cf. radamanus-Baby und zwei Calumma brevicorne bekommt jeder von unserer Gruppe zu sehen, der sich nochmal aufrafft und mit ihnen geht. In den Bäumen am Ufer des Baches im Hotel gibt es übrigens Unmengen Spinnennester, riesige trichterförmige weiße Netzgebilde. Sie beinhalten Tausende von winzigen, wimmelnden Spinnen. Leider merke ich das sehr spät, nämlich erst als ich direkt darunter stehe. Zurück vor dem Restaurant stellen wir fest, dass es inzwischen schon um halb Neun schließt. Ich bin sowieso müde, daher führt mich der Weg direkt ins Bett.