Heute habe ich mal richtig schön ausgeschlafen. Also bis acht. Das ist auf Madagaskar ja quasi schon mitten am Tag! Ich schlurfe zum Frühstück, mampfe zwei Crêpes und etwas Honigbaguette und gehe dann im Meer bei Flut schwimmen. Als ich mich auf eine der Sonnenliegen setze, fallen mir zwei sonderbare Pärchen auf. Zwei geschätzt über 70jährige, nicht besonders ansehliche Franzosen mit dicken Schmerbäuchen liegen am Strand, und neben ihnen zwei vielleicht mit Mühe 25jährige hübsche, schlanke Madagassinnen. Einer der Franzosen gibt sich großzügig und kauft bei einem der vielen Strandverkäufer vier Vango Vangos, diverse Tücher und unzählige Ketten für die beiden Damen. Danach begrapscht er die näher zu ihm liegende widerlichst. Sextourismus scheint es in Ifaty wohl auch zu geben. Ekelhaft.
Um halb Zwölf ist der Bus da, der uns nach Toliara zurück fährt. Christian und Rapha sind bereits auf dem Rückweg nach Antananarivo, daher fährt uns der hoteleigene, weiße Mercedes Sprinter. Vier Sitzreihen hinter der Fahrerreihe gibt es, da passen wir schon alle irgendwie rein. Der Fahrer, Alain, hat noch zwei Gehilfen dabei, auch wenn mir beim besten Willen nicht klar ist, was die beiden zu tun haben. Das Gepäck verschnürt er nämlich alleine auf dem Dach. Ich sitze samt meinem Fotorucksack ganz hinten. Der Fahrer ist ganz schön fix unterwegs auf der holprigen Sandpiste nach Toliara. Der Sprinter kracht und wackelt, obwohl wir nicht einmal mehr als 60 km/h fahren bei unserem Slalomkurs durch Schlaglöcher und über Buckelpisten. Wir brauchen knappe zwei Stunden.
An drei Polizeikontrollen werden wir aufgehalten. Ich nehme an, dass immer wieder Geld den Besitzer wechselt, denn andere Papiere sehe ich keine aus dem Fenster wandern. In Belalanda halten wir direkt vor der Polizeistation ein, einem kaputten steinernen Gebäude mit einem großen Holzzaun davor. Die Menschen hier scheinen sehr abweisend. Keiner lächelt, keiner grüßt zurück. Mir wird mulmig, als ich eine Gruppe reichlich gut bewaffneter junger Männer vorbeischlendern sehe, die äußerst interessiert den Bus mustern. Vor dem Bus stehen diverse erwachsene Frauen und fordern vehement nach cadeaux, also Geschenken. Ich mag diese aggressive Mentalität nicht. Immerhin stehen wir aber direkt vor der Polizei, so dass sich keiner mehr traut als aggressiv zu betteln. Es dauert eine ganze Weile, bis wir weiterfahren. An der nächsten Kontrolle geht ein grimmig dreinschauender Soldat mehrfach um den Bus, lässt sich direkt hinter mir im Kofferraum einen Ersatzreifen zeigen (wozu auch immer) und geht dann nach eingehender Musterung irgendwelcher Unterlagen (es gibt ja doch welche!) wieder von dannen. Hinter uns schließt sich eine rot-weiße Holzschranke, und wir sind kurz vor Toliara. Merkwürdig, das alles. An den Straßen türmt sich immer mehr Müll auf, je näher wir Toliara kommen. Wellblechhütten stehen am Straßenrand, nackte kleine Kinder wuseln zwischen Hühner, Ziegen und dreckigen Pfützen herum. In der Mitte der zweigeteilten Straße brennt ein Müllhaufen, rechts stehen zur Hälfte zerstörte Obststände und Hütten mit finsteren Löchern statt Fenstern. Endlich sind wir am Hotel angekommen. Nie habe ich mich auf Madagaskar unsicherer gefühlt als heute. Die Menschen winken zwar teilweise beim Vorbeifahren, aber niemand lächelt. Alle schauen grimmig, eher ablehnend, maximal vielleicht noch an cadeaux interessiert.
Am Ende der Straße von Tuléar nach Ifaty (da, wo die Brücke repariert wird, sie wird gar nicht abgerissen – erkennt man aber nicht, weil niemand daran arbeitet, esteht nur ein sehr kleines Schild vorne dran „en travaux“) steht ein Stein mit Aufschriften, wieviel km es bis wohin sind. Obendrüber steht „RN9“. Na herzlichen Glückwunsch, wenn das die nähste Route Nationale wird.
Wider allen Bedenken bringen Alains Jungs uns sicher ins Hotel Paletuvier, wo wir diesmal im zweiten Stock in Nr. 40 mit „Meerblick“ untergebracht sind. Der Blick reicht über eine reichlich siffige „Wasserrinne“, einen kleinen Andenkenmarkt mit vielleicht 30-40 Holzhütten und einem Haufen Müll vor einem Streifen Mangroven. Und einem Hauch von türkisblauen Meer.
Ich hüpfe unten in den Pool, das Wasser ist angenehm warm. Danach ruhe ich ein bisschen auf den Sonnenliegen. Zum Abendessen gehe ich mit Marco und Tanala zum Restaurant gegenüber, das hat heute jedoch geschlossen. Wir fragen ein paar Männer vor dem Hotel. Sie empfehlen uns „La Bernique“, ein kleines Restaurant an einer großen Straße nur ein paar Hundert Meter weiter. Ein sehr netter Kellner namens Bruno bringt uns statt einer Karte gleich eine ganze Tafel samt handgeschriebener Menüs. Es wird ein netter Abend mit guten Gesprächen, leckerer Zebuzunge und einem Crêpe mit Vanillerum. Und einen Passionsfrucht-Rum gibt es umsonst dazu. Im Dunkeln zum Hotel zurücklaufen wollen wir nicht, deshalb pfeift Bruno zwei Pousse-Pousse für uns heran. Eigentlich sind es Cyclo-Pousse, also Fahrradrikschas. Wir steigen ein und rumpeln durch die Schlaglöcher der Straße zurück zum Hotel. Ich denke, dass das kleine Gefährt jeden Moment umkippen müsste, aber es hält. Und Spaß hat es auch noch gemacht. Der nette Fahrer bekommt ein gutes Trinkgeld für den kurzen Spaß, und verabschiedet sich mit Handschlag in die Nacht.