Willkommen in Isalo! Wie ich von Ambalavao gestern hier her gekommen bin, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr so genau. Irgendwas vom Vortag hatte mir Montezumas Rache beschert, garniert von bösen Darmkrämpfen. Ich führe das lieber nicht weiter aus, jedenfalls bin ich heute immer noch nicht ganz fit. Aber es geht mir schon bedeutend besser als gestern. Ich befinde mich inzwischen mit Tanala, Anna, Marco, Alessandre, Dimby und José deutlich weiter im Süden Madagaskars, genauer in der kleinen Stadt Ranohira. Und dort in einem netten Hotel mit Pool, Sonnenliegen und Steinbungalows. Das Frühstück fällt für mich trocken und kurz aus und besteht eigentlich nur aus ColiCalm und Cola.
Andry fährt uns in dem kleinen weißen Bus durch Ranohira und dann einen Weg an einer Schule vorbei nach unten, wo eine rote Lateritpiste beginnt. Ein-, zweimal setzt das Auto auf, aber insgesamt kommen wir sehr gut durch. Ich erinnere mich duster an den Anblick des Weges, der sich kilometerlang über niedrige Betonbrücken und über weichen Laterit quer durch eine Savannenlandschaft näher an das Isalogebirge bringt. Vor zwei Jahren durfte ich das im Regen alles mal laufen, weil der rote Laterit bei Nässe spiegelglatt wird. Darauf kann kein Fahrzeug fahren, und auch laufen ist bei Steigungen schon abenteuerlich. Heute aber ist alles trocken, und ich erkenne auch den Parkplatz mit dem kleinen Steinhaus wieder. Rolande ist heute unser Guide, auch wenn wir diesmal keine 22 km laufen wollen. Ganz im Gegenteil. Bevor wir loslaufen, findet Rolande jedoch schon ein kleines Teppichchamäleon im Gebüsch. Ich freue mich sehr darüber, denn die Furcifer lateralis hier haben sehr eigenartige Farben: Pink bis bordeauxrot. Das Weibchen, das Rolande gefunden hat, ist eindeutig ein Teppichchamäleon, aber knallrosa. Ein richtig hübsches Tierchen.
Zu meinem Glück ist unser Weg gerade mal ein Kilometer bis zum Campground von Namaza. Doch schon dieser kurze Weg hat es bei schlechtem Kreislauf in sich. Als ich in das großzügige Camp mit seinen Tischen, Bänken und Kochgelegenheiten komme, bin ich völlig platt. Nichts geht mehr. An einer Flasche Crystal nippend hänge ich auf einer steinernen Bank und versuche zu existieren.
Nachdem Rolande allerdings sogar ein Brookesia cf. brygooi findet, raffe ich mich zumindest für ein paar Fotos auf. Die Schlange fünfzig Meter weiter muss ich allerdings ignorieren. Die anderen laufen noch zur Piscine bleu, während ich meine Füße ins kalte Wasser des Baches halte, der am Camp entlang fließt. Rund 50 Franzosen ziehen an mir vorbei und schauen pikiert. „Nackte Füße in dem dreckigen Wasser!“, höre ich eine ältere Frau auf Französisch lästern. Ich schaue stirnrunzelnd auf das kristallklare, völlig saubere Wasser des kleinen Bachs. Ob sie weiß, dass das Wasser zum Reiskochen benutzt wird? Eine weitere Gruppe Franzosen, allerdings alle deutlich Ü60, sitzen bereits jetzt an einem langen Tisch und warten auf Essen, das ihnen von den Madagassen serviert wird. Die Kattas, die über ihnen in den Bäumen herumturnen, bemerken sie nicht. Ich beobachte die Lemuren eine Weile von meinem Erholungsplatz, dann hole ich doch meine Kamera heraus.
Wobei es auch ohne Kamera heute ganz lustig im Camp wird. Zwei halbnackte Franzosen, ein junges Liebespärchen, setzen sich an einen Einzeltisch und wollen allein ihr Essen genießen. Gerade, als er ihr verliebt einen Löffel mit Obst in den Mund schieben will, springt mit einem lauten PFLUMPS ein Rotstirnmaki auf den Tisch. Sie schreit auf und wedelt mit den Armen hysterisch über dem Essen, während der Lemur sich in aller Seelenruhe am Nachtisch bedient. Als auch der junge Mann das kleine Tier nicht vertreiben kann und bei dem Versuch, das Tier einfach wegzudrängeln, fast über den Tisch fällt, verschwinden die beiden Franzosen schließlich zurück zu ihrer Gruppe. Derweil fläzt sich ein Kattamännchen mit wirklich beeindruckenden Hoden erst auf dem Boden, dann auf einem Ast knapp über dem Boden. Er krault sich ausgiebig seine Juwelen und zeigt sie überhaupt sehr offensichtlich rum, was die Senioren, die den Katta dann doch mal entdeckt haben, ein bisschen peinlich berührt beobachten. Ein älterer Herr zischt seine Frau bestimmt fünf Mal an, sie könne doch jetzt so kein Foto machen. Während ich unbesorgt auf den Auslöser drücke. Für Unterhaltung ist hier gesorgt.
Nach guten drei Stunden sind alle zurück von der Piscine bleu. Auch für uns gibt es Mittagessen im Camp, Reis mit Gemüse und leckeres Obst. Es ist liebevoll angerichtet und unheimlich lecker. Nur hat sich inzwischen die übrige Familie des frechen Rotstirnmakis eingefunden, und alle geiern extrem frech nach Bananen und Ananas. Dass Füttern hier ausdrücklich verboten ist, stört die Lemuren in keinster Weise. Sie haben längst gelernt, sich selbst zu bedienen, und werden dabei durchaus aufdringlich. Selbst die Kattas vertreiben sie, obwohl die auch nicht gerade mit einer kleinen Gruppe am Camp unterwegs sind.
Am späten Nachmittag treten wir den Rückweg an. Mir geht es deutlich besser und ich kann ganz entspannt die paar Meter laufen. Auch für die kleinen Jungs, die uns selbst gebastelte Lehmfiguren zum Kauf anbieten, gibt es noch ein paar Malbücher. Und für Rolande habe ich da ja auch noch etwas dabei. 2015 hatte ich ihm versprochen, einen Fieldguide mit allen Updates zu neuen Arten mitzubringen. Rolande strahlt, als ich das Buch auspacke und er erfährt, dass er es dank nobler Spender sogar kostenlos bekommt. Er bedankt sich herzlich, und verstaut seinen neuen Schatz gleich in seinem kleinen, fast leeren Rucksack. Im Hotel falle ich direkt ins Bett, und schlafe bis zum nächsten Morgen.
Ein Gedanke zu „Knockout in Isalo“