Ostküste 2018

Abenteuer in Maromizaha

Maromizaha

Heute brechen wir nach Maromizaha auf. Das ist ein relativ kleines Waldgebiet unweit von Andasibe, in dem ich noch nie war. Und das wohl eher nicht besonders von Reisenden überfüllt ist. Um nicht zu sagen: Da kommt kein Mensch hin. Frank Glaw hat uns den Tipp gegeben, dass man dort gut besonders hübsche Chamäleons finden könnte. Also machen wir uns mal auf den Weg.     

Maromizaha
Das Hinweisschild direkt an der Straße

Der Bus fährt keine zehn Minuten, da halten wir schon wieder an. Direkt neben einem roten Steinhaus, das zwischen den hölzernen Hütten etwas verloren wirkt. Ein weißes Betonschild und ein paar klein bedruckte Infotafeln hinter rostigem Gitter sind die einzigen Hinweise, dass hier irgendwo ein Reservat oder Schutzgebiet zu finden ist. „Tonga soa eto Maromizaha“ – Willkommen in Maromizaha – verkündet das Betonschild. Daneben läuft ein Lateritpfad zwischen den Hütten in Richtung einiger Hügel. Wo hier der Wald sein soll, ist mir noch nicht ganz klar. Ich warte am Schild, bis Dimby die Formalitäten wie Eintrittsgelder geklärt hat. Direkt vor meinen Füßen hält ein riesiger LKW und zwei junge Franzosen in kurzen Hosen und nur mit einer Wasserflasche bepackt steigen aus. Sie verschwinden den Pfad entlang – ich habe sie nicht mehr wiedergesehen.

Maromizaha
Auf geht’s! Der Wald scheint noch weit entfernt

Schließlich geht es los. Etienne unterstützt Edwin hier als Guide. Mit dem Finger deutet Etienne irgendwo in die Ferne „Daaaa wollen wir hin!“ Aha? Der Wald sieht noch ganz schön weit weg aus, und wenn ich das mal so sagen darf, da scheint es auch ganz gut bergauf zu gehen? Naja, egal. Wenn es dafür schöne Chamäleons gibt…

Also stapfe ich den anderen hinterher, den Lateritweg entlang. Er führt nur ein paar Hundert Meter geradeaus, dann biegen wir links auf einen schmalen Pfad zwischen Reisfelder ab. Die Sonne brennt schon ganz schön, obwohl es noch wirklich früh am Morgen ist. Gefühlt eine mittlere Ewigkeit laufen wir entlang der Reisfelder. Manche sind gerade frisch gesetzt, manche fast in der Gelbreife. Winzige wackelige Brücken, hier und da auch nur zwei Baumstämme, verbinden den schmalen Pfad zwischen den Feldern. Für Fußkranke ist das hier schonmal nix. Eine besonders hübsche kleine „Brücke“ verfügt sogar über ein Holzgeländer, das jedoch beim ersten Antippen umfällt und in den Bach darunter plumpst. An einigen Stellen schiebe ich mich seitlich Fuß für Fuß über Baumstämme, die Wasserläufe und Rinnsale überbrücken. Zum Glück ist es nie hoch, selbst wenn man runterfallen würde, man würde unten nur sehr matschig. Wir laufen und laufen und laufen und immer noch ist kein Wald in Sicht.

Schließlich gelangen wir in ein Tal zwischen zwei steilen Hängen. Da ist er, der Wald! Eine sehr beeindruckende Natur erwartet uns nach dem Fußmarsch bis hierher. Entlang eines sehr idyllisch gelegenem großen Baches (oder kleinen Flusses, wie man’s nimmt) drängt sich dichte Vegetation aus knorrigen Bäumen, extrem dichtem Gebüsch und hohem Gras, ein paar Palmen und eine Menge Farne. Der Bach plätschert kristallklar über die Steine. Noch mehr kleine Brücken wollen überquert werden, eine reparaturbedürftiger als die andere. Auf einer schrägen Wiese zwischen Bananenstauden machen wir eine kurze Pause im Schatten.

Maromizaha
Endlich haben wir den Waldrand erreicht

Dann geht es endlich in den Wald. Und der ist wirklich grandios! Ich folge Etienne, Edwin und den anderen entlang eines schmalen, matschigen Pfades mitten durch den dichten Regenwald. Teils kaum einen Fuß breit vom Flusslauf entfernt schlängelt sich der Weg an mannshohen Farnen, Urwaldriesen und unendlich vielen Lianen vorbei. Es ist unglaublich grün und lebendig im Wald, ein wahnsinniger Kontrast zu den Reisfeldern zuvor. Plötzlich langt Christian neben sich ins Gebüsch – auf seinem Finger sitzt ein knallgrünes, etwas verdutztes Jungtier von Calumma malthe. Wow, was eine wunderschöne Art! Für diese Chamäleons hat sich bereits der etwas mühselige Weg hierher gelohnt.          

Hinter mir wird gemurmelt, dann angelt jemand mit einem Ästchen ein weiteres Calumma malthe von einer Liane direkt über unseren Köpfen. Es ist ein unglaublich hübsches, rot gefärbtes Weibchen – selten habe ich ein so schönes, kleines Chamäleon gesehen. Alle sind begeistert von den schönen Tieren. Edwin winkt, wir sollen unsere Fotorucksäcke nicht hier im Matsch abstellen. Ein paar Meter weiter kommt eine recht stabile, große Holzbrücke, dahinter geht es ein paar Stufen nach oben. Dann stehe ich direkt vor einem großen Dach, unter dem man zelten kann.  

Maromizaha
Das wunderschöne Calumma malthe-Weibchen

Der Campground von Maromizaha ist zwar sehr rustikal, aber doch mit dem nötigsten ausgestattet. Es gibt rudimentäre Toiletten, ein paar Unterstände für Küche und Zelte und eine tolle Aussicht mitten in den Regenwald hinein. Vögel singen, Frösche quaken, das Plätschern des Wassers klingt bis nach oben. Einige Stunden verbringen wir an diesem zauberhaften Ort und seiner Umgebung. Auch ein Männchen von Calumma malthe findet sich ein, es sitzt unweit des Camps direkt an der Brücke. Eine skurille Stabschrecke taucht auch noch auf und extra für Lars gibt es einen wunderlichen dicken Frosch am Bachbett.

Die Guides sind derweil einen steilen, schmalen Pfad hinter dem Campground nach oben gestiegen. Entlang des Bachlaufs suchen sie nach Mantella baroni, die es hier geben soll. Mir reichen die Wahnsinnschamäleons, aber gegen einen bunten Frosch hätte ich nichts einzuwenden.

Als Dimby, José und Fitah von weiter oben wieder zurück kommen, haben sie noch nichts gefunden. Voll motiviert schlagen sie vor, noch zum Aussichtspunkt etwas weiter oben zu laufen, von dem man ebenfalls wieder zurück ins Tal gelangt. Vielleicht finden wir auf dem Weg noch die gesuchten Buntfröschchen? Tanala lässt demokratisch abstimmen: Zwei Kilometer zurück bis ins Tal laufen oder lieber sechs Kilometer durch den Wald? Die Mehrheit stimmt für letzteres. Ich nicht. Es sind madagassische Kilometer. Das heißt, man darf davon ausgehen, dass wir eher von mindestens sechs Kilometern auf einem Weg noch unbekannter Beschaffenheit laufen werden. Mitten in den Tropen (Marojejy-Erfahrungen lassen grüßen). Aber gut.

Maromizaha
Das Männchen von Calumma malthe

Also raffe ich meinen Rucksack auf. Nach ein paar Metern gebe ich ihn allerdings freiwillig an einer Kreuzung an Edwin ab, denn der Weg geht doch jetzt ganz schön steil nach oben. Sehr steil. Eigentlich NUR steil. Ich schwitze schon nach den ersten Metern auf dem steilen Pfad wie irre. Der Wald ist hier etwas trockener, aber immer noch unglaublich beeindruckend. Von Weitem hört man das laute Schreien schwarz-weißer Varis. Sie sind hier aber wohl Menschen nicht gewöhnt und kommen selten nah genug, um sie zu beobachten. 

Schnaufend und schwitzend geht es den Berg nach oben. Ein kleines Holzschild verspricht nur noch 670 m bis zu „Bellevue“, dem Aussichtspunkt. Gefühlt sind es doppelt so viel. Weit weg hört man plötzlich Indris singen – als wollten sie uns anfeuern, auch noch die letzten Meter den fiesen Berg nach oben zu kommen. Tatsächlich schaffe ich es irgendwann endlich als eine der letzten zu einer kleinen Hütte. Oben ändert sich schlagartig die Vegetation: Krautige Pflanzen auf dem Boden, kleinere Gebüsche, keine riesigen Bäume mit Lianen mehr. Die Aussicht ist gigantisch. Danke an dieser Stelle an den Rest der Gruppe, der für die sechs Kilometer Weg gestimmt hat. 😉

Nach ein paar Minuten Ausruhen kann ich die Aussicht so richtig genießen. Dankenswerterweise können Jutta und Lars mir noch ein Wasser spendieren, von dem ich definitiv zu wenig eingepackt habe. Von hier oben sieht man über den Wald zu beiden Seiten der Schlucht von Maromizaha. Ein Lüftchen weht, es ist angenehm warm und der Blick ins Tal ist einfach perfekt. Es ist sehr beeindruckend, am Gipfel eines so schönen Regenwaldes zu stehen. Fotos können die Aussicht und das Gefühl da oben leider auch nur begrenzt transportieren – man muss es erlebt haben. Etwas traurig stimmt, dass man von hier oben auch das Ausmaß der Brandrodung sehen kann. Der fantastische Regenwald von Maromizaha hat zu beiden Seiten schroffe Grenzen. Nur das Stück in der Mitte, direkt an den steilen Hängen, ist noch intakt. Ein schmaler Korridor führt einsam zwischen kahlen Hängen weiter hinten in Richtung Vohidrazana, das zum gleichen Regenwald gehört.

Der Weg hinter dem Aussichtspunkt läuft relativ flach weiter und führt dann kurz nach unten abfallend aus dem Regenwald wieder heraus. Gut 600 m laufe ich noch durch eine Art Grassavanne bis zu einer steinernen Felswand, vor der offenbar ein Schotterparkplatz liegt. Ein Schotterweg führt nach unten. Ich erinnere mich duster, dass Frank irgendwas davon gesagt hat, man solle den Weg besser „rückwärts“ gehen, denn dann müsse man nicht den steilen Anstieg… achja…. Mist. Ein bisschen zu spät, dass mir das hier erst einfällt. 

Maromizaha
Der Weg hinunter vom Regenwald von Maromizaha zurück zur Straße

Beschwingt laufen wir den Berg wieder hinunter. Am Fuß des Weges wartet Rapha mit dem Bus neben einer kleinen Lehmhütte auf uns. Ein paar Kinder rennen um ihn herum und bewundern ein kleines, grünes Furcifer willsii-Männchen, das Rapha im hohen Gras entdeckt hat. Ich verteile ein paar Malbücher und Stifte an die Kinder, die sich riesig darüber freuen.

Furcifer willsii

Malbücher
Der Tag war doch anstrengender als gedacht, aber definitiv alle Mühen wert. Direkt zurück von Maromizaha kehren wir bei Marie gegenüber unserem Hotel zum Essen ein. In wenigen Minuten kippe ich zwei gekühlte Fresh herunter, das war auch dringend nötig. Ich bin echt platt.

Am Abend unternehmen wir noch eine kleine Nachtwanderung in V.O.I.M.M.A., dem kleinen Community Park unweit von Analamazaotra. Leider hat die Überschwemmung durch den letzten Zyklon hier ganz schön gewütet. Der Wald ist mannshoch von lehmigem Schlammrückständen bedeckt.  Wir finden  ein paar Frösche und einige der spannende Spinnen namens Deinopis madagascariensis, die zum Insektenfang eine Art Lasso zwischen den Füßen weben uns es dann blitzschnell über ihre Beute werfen.

Als ich gerade einen hübschen Boophis fotografieren will, sinkt unter meinen Füßen der sandige Boden weg. Ich stelle mich lieber woanders hin, aber nahe des Bachs sinkt an vielen Stellen der Boden ein. Das Wasser steht enorm hoch. Das ist mir ein bisschen unheimlich im Stockfinsteren, also gehe ich ein paar Schritte weiter und bin froh, als wir irgendwann zurück Richtung Eingang des Parks laufen.      

Zurück am Feon’ny Ala öffnet uns der Nachtwächter noch die Schranke. Andere Reisende sind gar nicht mehr unterwegs im Dunkeln, wir kehren als letzte zurück. Der Nachtwächter an der Schranke trägt eine weiß-blau gestreifte Wollmütze mit Ohrenschützer, obwohl es noch wirklich warm ist. Naja. Warm für Europäer. Im Bungalow falle ich ohne Dusche einfach ins Bett. Der Tag war echt anstrengend, aber auch echt erfolgreich und echt schön.

Veröffentlicht von Alex

Alex ist 35 Jahre alt, wohnt in der Nähe von Mainz und ist im echten Leben fernab des Urlaubs Tierarzt mit Faible für Reptilien. Sie fotografiert und reist gerne - so entstand auch dieser Blog. Nebenbei hält sie selbst Chamäleons zu Hause, schreibt an wissenschaftlichen Veröffentlichungen, betreibt ein kostenloses OnlineMagazin und erstellt Malbücher für madagassische Kinder.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.