Der Tag beginnt sehr früh und endet sehr spät. Schon um drei Uhr in der Nacht – oder in der Frühe, wie man’s nimmt – packe ich die letzten Sachen. Um Viertel vor Vier geht es zum Flughafen nach Frankfurt. Der Check-In-Automat bietet sogar eine Sitzplatzauswahl an. Ich werde meine exakt abgewogenen 46,3 kg Gepäck am Schalter los, wobei der Air-France-Mitarbeiter witzelt, da seien bestimmt nur Schuhe drin. Auf meine Antwort „Nein, habe nur exakt ein Paar dabei, das trage ich an den Füßen!“ schaut er etwas erstaunt. Eine kleine Propellermaschine, zu deren Außenposition wir eine kleine Ewigkeit mit dem Bus gurken, bringt uns nach Paris. Dort treffen ich und Tanala auf alte Bekannte und gute Freunde: Yvonne und Thomas fliegen heute auch nach Madagaskar, nehmen aber eine etwas andere Route, und mit uns zusammen fliegt Markus wie schon die letzten Male. In Paris lerne ich außerdem Philipp kennen, der zwar schonmal auf Madagaskar war, aber diesmal mit uns mehr Tiere finden und sehen will. Er ist Lungenfacharzt und offenbar völlig tiefenentspannt, was Flugreisen angeht. Ich mag Flugreisen eher weniger. Wenn man nach Madagaskar will, sind sie aber das einzig sinnvolle Transportmittel.
Gegen elf Uhr boarden wir endlich – Zone 5, alle sitzen hinter Reihe 39. Ein fast elf Stunden langer Flug liegt vor mir. Ich beschäftige mich mit Filmen, Schlafen, Wölkchen beobachten und Verdursten. Sieben Minuten vor Landung, inzwischen ist es wieder dunkel draußen, werde ich dann doch nochmal ganz schlagartig wach: Die Maschine sackt einfach mal gute fünfzig bis hundert Meter in die Tiefe. Hupsi. Leider wiederholt sie es dann auch gleich nochmal, da wird einem dann schon ein bisschen mulmig. Vor allem, wenn man auf dem Display vor sich ganz gut sehen kann, dass man so viele Kilometer auch nicht mehr vom Boden entfernt ist. Hatte ich schon erwähnt, dass ich wirklich nicht gerne fliege? Ich bin allerdings nicht der einzige im Flieger, der jetzt etwas panisch guckt und Puls hat.
Entgegen aller Befürchtungen landet die Maschine dann relativ sanft im Hochland von Madagaskar. Ich bin trotzdem froh, als die Tür endlich auf geht und ich den Flieger verlassen kann. Feucht-warme Luft schlägt mir entgegen. Die Flutlichter von Ivato beleuchten die Umgebung, es ist quasi mitten in der Nacht – kurz vor Mitternacht. Mit einer ganzen Masse an Menschen laufe ich über das Rollfeld hinüber zum Flughafengebäude. Inzwischen stehen ein paar Leute in Warnwesten rum, man soll wohl nicht mehr ganz so bunt kreuz und quer laufen. Drinnen stelle ich mich erstmal in der schier unendlichen Schlange für den Sérvice sanitaire an. Das zweiseitige Zettelchen hatte ich schon im Flugzeug ausgefüllt – weniger mit Hirn gesegnete Menschen fangen jetzt erst an, die winzigen Zeilen auszufüllen und sorgen damit für leichten Unmut bei den Wartenden hinter ihnen. Zugegeben, die Zeilen sind wirklich sehr winzig, in die man seinen Namen, Adresse, Beruf und ähnliche Dinge eintragen soll. Nachdem ich erfolgreich den Gesundheitswisch-Schalter hinter mir lasse – Zettel, Pass und Flugticket rein – interessierter Blick, irgendwas abgerissen, alles wieder raus – , schiebe ich mich weiter zur Schlange des Visastempelmannes.
Gegen ein Uhr habe ich dann auch mein Gepäck und gehe mit Tanala nach draußen, wo Dimby und José bereits warten. Herzliche Begrüßung. Etwas verwundert schaue ich mich allerdings auch um – vor dem Flughafengebäude ist es fast leer. Wo sind die ganzen Kofferträger und Möchtegernhelfer hin, die sich einem sonst innerhalb weniger Minuten in Scharen aufdrängen? Dimby kann es erklären. Offenbar gab es seit den Präsidentschaftswahlen im Dezember ein paar neue Regelungen am Flughafen. Unter anderem wurden vor einer Woche wohl eine ganze Menge Leute in den Knast befördert, die am Flughafen herumlungerten, Reisenden ungewünschte Trägerdienste anboten oder irgendwelche skurrilen Betrügereien mit angeblichem Geldwechsel abzogen. Scheint viele betroffen zu haben, denn der Parkplatz des Flughafens ist verwaist. Ein weiterer Neuzugang, Andrea, hat sich inzwischen auch eingefunden. Sie ist zwar im gleichen Flieger gewesen, aber irgendwie haben wir uns in Paris noch nicht gesehen.
Dimby und José haben zwei Landcruiser dabei, in denen wir alle samt Gepäck Platz finden. Der Weg nach Talatamaty durch das dunkle Antananarivo führt nach wenigen Minuten durch die Tore des Raphia. Dank Dimbys Voranmeldung hat die Küche auch nach Mitternacht noch eine große Ladung frischer Samboza für uns gemacht. Die ersten Kronkorken zischen, gekühlte THB werden geöffnet. Endlich Urlaub.