Um halb acht sitze ich beim Frühstück. Acht Uhr war geplant. Aber wenn man um neun Uhr abends ins Bett geht, ist man um Sieben ziemlich ausgeschlafen. Fabien, der Kellner, hat sich schon unsere Zimmernummern gemerkt. Er serviert heute Omelettes und platte, grünbraune Äpfel. Mit sehr dicker Schale, ähnlich Dimbys Tomaten gestern, aber lecker sind sie.
Nach dem Frühstück kommt Leah vorbei, eine sehr kleine, schmale Madagassin mit Pferdeschwanz und einem kleinen Täschchen. Sie flechtet Haare. Professionell. Praktischerweise habe ich noch Fotos der extrem praktischen Frisur aus Ankify vor zwei Jahren dabei. „Kein Problem“, sagt Leah, das kann sie nachflechten. So sitze ich eine gute Stunde – vielleicht auch etwas länger – auf einem Holzstuhl, während Leah meine Haare zu schmalen Zöpfen flechtet. Ein Hausbesuch kostet bei ihr übrigens weniger als wenn man zu ihr in den Friseursalon kommt. Die Logik dahinter ist mir nicht ganz klar, bis Mapy entwaffnend erklärt: „Ist doch klar, bei einem Hausbesuch verbraucht die Friseurin ja den Strom des Hauses!“ Na dann.
Parallel update ich Dimbys Fieldguide mit den neu dazu gekommenen Arten. Ein leichter Wind geht am Pool, es ist richtig angenehm in der Sonne. Auch im Pool ist es angenehm. Zu Mittag gibt es Schweinefleisch mit Honig und Gemüse, was wunderbar in meine selige Urlaubsstimmung passt.
Marco, Lars, Martin und Dimby sind derweil in die Innenstadt gefahren. Zwei möchten ein Vango Vango beim Juwelier kaufen, alle wollen Telefonkarten besorgen. Die Telefonkarten lassen sich noch recht simpel besorgen, auch wenn jeder für seine persönliche Karte unterschreiben darf. Das mit dem Vango Vango scheint aber etwas schwieriger geworden zu sein. Denn der ein oder andere kommt auf die Idee, beim Juwelier mit Apple Pay zahlen zu wollen. Steht ja draußen an der Tür. Das stimmt wohl, aber wie immer gibt es Probleme mit Strom und Internetverbindung. Die, die nicht mit Apple Pay zahlen wollten, holen sich solange ein bis zwei Eiswaffeln.
Irgendwann kommen sie aber doch zurück. Ein kleiner, dürrer Mann mit zu großem Hemd bringt stolz ein Furcifer oustaleti und setzt es für uns auf eine Palme direkt am Pool. Das Männlein ist jedoch ziemlich aufgebracht ob der unsanften Behandlung und lässt sich direkt wieder herunter fallen. Ich lasse es vorsichtig auf meinen Arm laufen und setze es auf den größeren Baum ein paar Meter weiter. Am späten Nachmittag kommen Mapy samt Kindern und Dimbys Mama vorbei. Rosie kommt angelaufen, sieht uns – und läuft erstmal wieder weg. Oh Gott, Vazaha, und so viele! Wir laufen gemeinsam rüber zu Chez Maman, den Lateritpfad hoch, die Straße nach links und nach ein paar Hundert Metern rechts eine weitere Straße nach oben. Außer uns ist kein einziger Vazaha auf der Straße unterwegs. Wie bunte Hunde werden wir angestarrt. Es ist voll. Autos hupen, Tuktuks drängeln sich an Taxi Bes und Renault R4s vorbei.
Vor den roten Metallstreben des Chez Maman steht eine kleine Plastikwanne mit einem feuchten Lappen darin auf dem Boden. Ihr Sinn erklärt sich mir erst auf dem Rückweg – das ist eine Fußdesinfektion. Die aber großzügig von jedem ignoriert wird. Dimby zeigt nach drinnen, dort sind Tische reserviert. Ich gehe ein paar Stufen nach oben, über die schmale Terrasse und hinein. Groß ist das Chez Maman nicht – der schmale Raum wird von einer Theke gegenüber der Tür und einer rechts an der Wand gefüllt, dazwischen stehen von Wand zu Wand Unmengen Campingtische und Plastikstühle.
Wir setzen uns links vor einen riesigen Spiegel, in dem ich eine sehr gute Übersicht über den ganzen Raum habe. Winzige Tische und wackelige Stühle werden gerückt. Es wird ein Tanalahorizon-Familientreffen: Lars, Jutta, Martin, Marco, Chrissi, Markus, Frank, Tanala und ich, Dimby, Dimbys Mama, Mapy mit den Kindern, José samt seiner Verlobten Nasaina. Ein junger Mann mit schwarzer Gesichtsmaske, die aber eher auf Höhe des Kinns hängt, legt lächelnd gelbliche Zierdeckchen auf die Tische. Die ersten THB-Kronkorken zischen. Wir stoßen auf die vor uns liegende Reise an. Und auf Léon, der letztes Jahr verstorben ist. Ho ela velona!
Die erste Flasche des hausgemachten Maracujasafts kommt an den Tisch – wie immer superlecker. Direkt wird die zweite nachbestellt. Nudeln, Reis und Porc au caramel wandern über Köpfe. Es wird ein schöner Abend mit THB, gutem Essen und guten Freunden. Wir besprechen die Reise, was wir sehen wollen, Anekdoten aus den letzten Jahren werden erzählt. Lars schielt auf die Kuchentheke, die reich gefüllt ist mit Biskuits unter diversesten Gussfarben- und formen, mit Schokofüllung, Fruchtfüllung und bunten Streuseln. Schließlich bestelle ich „eine Runde alles“ zum Nachtisch, einschließlich riesigen Windbeuteln mit Vanillesahnefüllung und mille feuille, einem Kuchen aus Blätterteig und Cremefüllung. Und es schmeckt köstlich. Die Kuchenteller wandern die Tische rauf und herunter, jeder probiert von allem. Bis die Kuchentheke schließlich restlos leer ist. Andrianina hat gerade noch einen kleinen Karton mit Kuchen für zu Hause ergattern können.
Schließlich verlasse ich sehr sehr satt das Chez Maman. Es gibt noch ein Gruppenbild im Dunkeln vor den Stufen draußen. José nimmt die Kinder auf seinem Roller mit – vier Leute auf einem Roller ist in Tana noch ziemlich wenig. Gemütlich schlendern wir im Dunkeln unter der schummerigen Straßenbeleuchtung zurück in Richtung unseres Hotels. Morgen geht’s endlich los.