Um sieben Uhr in der Frühe stehe ich mit gepackten Taschen vor dem Bungalow. Dankenswerterweise bringen Träger unser Gepäck nach unten. Der sintflutartige Regen der Nacht ist in ein leichtes Nieseln übergegangen. Nebel häng in dichten Schwaden über den Bergkämmen – es sieht genauso aus wie als wir hier vor ein paar Tagen ankamen.
Unser Fahrer lenkt den Bus sicher wie gewohnt aus Ranomafana heraus. An einem großen Wasserfall machen wir kurz Halt, um ein paar Fotos zu schießen. Es dauert nur kurz, dann ist die erste Schlange gefunden, undein junges Calumma oshaughnessyi ist erspäht. Auf der steinernen Brüstung an der Straße läuft ein großer Tausendfüßler. Moos wächst über die Straßenbegrenzung, und der Fluss rauscht geräuschgewaltig vor uns in die Tiefe.
Als wir endlich die vielen Serpentinen hinter uns lassen und wieder auf die RN7 einbiegen, wird die Straße geradliniger. Auf einem kurzen Stück fehlt Asphalt und die Straße ist nur eine lehmige Ebene, aber dahinter geht sie relativ unbeschädigt weiter. Die Landschaft ist wieder voller Reisfelder, doch die Hügel drumherum werden felsiger. Hier und da fließt ein schmaler Wasserfall von den Hügelketten ins Tal hinunter. Wegen der vielen Raucher im Bus machen wir mehr Pausen als sonst, die man entweder zum Pinkeln oder zur Tiersuche verwenden kann. Christian ist in letzterem in seinem Element: Er findet quasi alles. Kein Chamäleon, das seinen Augen entgeht.
Gegen Mittag erreichen wir Fianarantsoa. Die Stadt sieht kleiner aus, als sie ist und zieht sich über mehrere Hügel. Wir halten vor einem kleinen, unscheinbaren Geschäft aus Backsteinen. In der gläsernen Tür hängen zwei große Poster und diverse Postkarten, und über der Tür steht „tous travaux photographies“. Das kleine Geschäft gehört dem berühmten Fotografen Pierrot Men, und er selbst ist sogar da, in seinem kleinen Studio weiter hinten im Laden. Er sitzt hinter einem riesigen Apple-Bildschirm und bearbeitet Fotos. Wir unterhalten uns kurz und freundlich, dann schaue ich mich weiter um. Da ich aber nichts kaufen möchte, setze ich mich draußen an die Straße und beobachte die Menschen. Ein Mann schiebt barfuß ein merkwürdiges Konstrukt aus Brettern und Rollen vorbei, auf dem rund 25 gelbe Colakästen sowie diverse Sixpacks Cola mit Seilen verschnürt sind. Mit lautem Poltern wackelt das Gefährt vorüber.
Wir fahren weiter, und passieren den Bahnhof von Fianarantsoa. Hier startet der berühmte Dschungelexpress seine Reise. Fianar bleibt hinter uns, und die Straße führt durch Reisfelder und Hügelketten weiter gen Süden. Plötzlich bleibt der Bus stehen. Vor uns steht eine ganze Kette an Fahrzeugen, und keines bewegt sich vorwärts. Rapha steigt aus, um die Ursache zu ergründen. Die ist schnell gefunden. Die Brücke bei Vohiposa hat ein Loch. Also, de facto hat sie nicht nur eines. Aber das neueste ist jetzt an einer so ungünstigen Stelle, dass man nicht wie sonst drumherum fahren kann. Es muss zuerst repariert werden. Und auf Madagaskar kann das dauern. Dimby findet neben dem Bus ein Teppichchamäleon. Ich beschäftige mich damit, es zu fotografieren, aber irgendwann wird auch das langweilig. Also folge ich der Autoschlange entlang und schiebe mich durch eine ganze Menge Schaulustiger bis nach vorne auf die Brücke. Zu sehen gibt es ein etwa 50 cm langes und breites Loch. Ein Stück Alu zum Reparieren hat sich schon gefunden, nur passt es größentechnisch nicht so richtig. Diverse wichtig aussehende Männer in Anzügen stehen herum und diskutieren. Zu meiner völligen Überasschung taucht plötzlich am anderen Ende der Brücke ein Mann mit einer nagelneuen Flex auf. Ich bin baff. Woher kommen denn die jetzt hier irgendwo im Nirgendwo? Nun fehlt es dem Ding an Strom. Doch auch das ist für die Madagassen kein Problem. Sie basteln eine abenteuerliche Verdrahtung zwischen etwas, das wie eine alte Autobatterie aussieht, und einem merkwürdigen Kabel, das zum Arbeitsgerät führt. Eine halbe Stunde später ist die Brücke notdürftig geflickt. Die LKWs rollen wieder. Und auch wir passieren die Brücke.
Am Nachmittag kommt die Sonne endlich durch. Und sogleich leuchten die Reisfelder in den schönsten Farben. Wir halten an, um Fotos der Reisterassen zu machen. Das satte Grün und Gelb ist ein grandioser Anblick. Christian findet ein riesiges Furcifer oustaleti. Das Tier gehört zu den größten, die ich je gesehen habe, es ist wirklich ein Riesentrumm. Der Süden bringt offenbar enorm große Chamäleons hervor.
Am Nachmittag erreichen wir Ambalavao. Wir biegen in den Hof des Hotels „Aux Bougainvilles“ ein. Die Anlage sieht sehr gepflegt aus, kleine bunte Häuschen mit kleinen Bänken vor der Tür reihen sich aneinander. Tanalas und mein Bungalow hat als Highlight ein rosa Moskitonetz. Das Restaurant liegt direkt vorne am Eingang, und hier finden wir uns abends noch zu einem kleinen Foto-Workshop mit Tanala zusammen. Blende, Verschlusszeiten, Fokus… das artet ja fast in Lernen aus. Am Ende schauen wir noch einige Fotos an, dann geht es früh ins Bett.