Der Tag beginnt schon früh. Ich mummele mein Pain au chocolat von gestern auf. Dimby, Eric, Andry, Mika, Gris und Choa wollten eigentlich um Sechs hier sein. Aber es dauert und dauert. Der Verkehr in Tana ist heute wohl enorm dicht. Erst wesentlich später fährt der erste Toyota Landcruiser in die Einfahrt des Raphia, und nach und nach folgen die anderen. Dimby mit seinem neuen blauen Landcruiser kommt als letztes. Er hat auch José mitgebracht, der uns ebenfalls in den Norden begleiten wird. Man begrüßt sich herzlich, das Gepäck wird auf die Autodächer gehoben und in Planen verschnürt.
Endlich geht es los. Es ist kurz nach acht, als wir das rumpelige Kopfsteinpflaster vor dem Raphia herunterfahren und an dem kleinen rot-weißen Tor auf die normale Straße wechseln. Das Tor ist eng, und wir bewegen uns in Zeitlupe hindurch. Dann geht es schneller voran. Wir fahren durch viele Vororte von Antananarivo auf der RN4 ins nördliche Hochland. Irgendwo kurz hinter Antananarivo halten wir in einem Dorf an. Eric will hier Wasser kaufen, und die Jungs gehen gemeinsam kurz frühstücken. Dimby drückt mir ein kleines Döschen in die Hand: “A little present from Mapy“. Ich mache es vorsichtig auf, und darin liegt ein wunderschönes, silbernes Vango Vango mit blauen Edelsteinen an den Enden. Wow, was ein tolles Geschenk, ich bin wirklich baff. Überschwenglich bedanke ich mich. Vango Vangos sind ursprünglich Silberarmreifen von den Vezo, einem Volk von Fischern an der Küste Madagaskars. Sie ließen der Sage nach schon vor Hunderten von Jahren jegliches Edelmetall in ihrem Besitz zu Armbändern arbeiten, um es immer mit sich tragen zu können. Heute werden Vango Vangos von jedem auf Madagaskar getragen, der es sich leisten kann.
Den Tag über fahren wir durch die Mondlandschaften des nördlichen Hochlandes. Kurve um Kurve schraubt die Straße sich in die Höhe und dann wieder nach unten. Endlose Hügel nur von Gras bedeckt, ein paar kleine Gewässer schlängeln sich durch das Grün. Winzige Ansammlungen von Bäumen um ein paar Hüttendörfer, das war’s. Bei einer Pause finden die Jungs zu meiner Überraschung ein weibliches Furcifer viridis, das scheinbar mitten in dieser Einöde im hohen Gras lebt. Es ist wunderhübsch rosa gefärbt – Mädchenfarbe halt.
Als wir aus dem Hochland heraus kommen, wird die Umgebung ein bisschen grüner. Savannen wechseln sich mit kleinen Sekundärwäldern ab. Eine Thamnosophis sonnt sich am Straßenrand. Als wir über eine kleine Brücke mit eisernem Geländer fahren, entdecke ich im Gebüsch hinter einem Mangobaum etwas kleines Grünes. „Oooh stop, mihisy viridis lehilay!“ brülle ich noch. Dimby tritt auf die Bremse, ich hüpfe aus dem Auto und flitze zu dem Gebüsch. Tatsächlich klettert da ein neongrünes Männchen von Furcifer viridis ins dornige Gebüsch. Leider ist es durch die Sonne perfekt aufgewärmt und viel schneller als ich. Und so verschwindet es, bevor ich auch nur nach einem passenden Angel-Ast schauen konnte. Zu beiden Straßenseiten stehen immer mehr Mangobäume. Die Hüttendörfer werden ärmer und die Steinhäuser weniger. Wir überqueren den Betsiboka, dessen orangefarbenes Wasser leuchtet. Gurgelnd stürzt das Wasser unter der großen Brücke in die Tiefe. In den ausgewaschenen Felsen am Rand des Flusses steht das Wasser. Ein paar Kinder spielen darin.
Am Nachmittag halten wir an einem Restaurant in Maevatanana für ein spätes Mittagessen. Das große Restaurant ist eher eine weiß gestrichene, niedrige Halle, und wir setzen uns im hinteren Teil unter zwei Ventilatoren an eine lange Tafel. Ich esse nichts, mir ist viel zu warm hier. Es hat gute 33° im Schatten. Man schwitzt vom Nichtstun, und vom langsamen Laufen noch mehr. In einem schlammigen Feld, dass man durch die unverglasten Fenster des Restaurants sehen kann, sitzt ein Furcifer oustaleti.
Als wir losfahren sollen, sitzt ein magerer Hund unter dem Auto. Erst als der Motor anspringt, läuft er weg. Irgendwann erreichen wir endlich Ambondromamy, die letzte Stadt vor dem Nationalpark Ankarafantsika. Es dämmert bereits, in Kürze wird es stockfinster sein. Und wir haben noch einige Kilometer vor uns. Die Zebus der umliegenden Dörfer werden gerade nach Hause getrieben. Überall laufen sie auf der Straße herum. Schließlich geht das Licht aus. Im Dunkeln fahren wir noch lange, lange weiter. Nach einer schieren Ewigkeit erreichen wir Ankarafantsika. Dimby biegt links auf den sandigen Parkplatz ein. Tanala und die Jungs bauen die Zelte auf, meines und Tanalas steht auf einem runden Betonrondell unter einem Holzdach.
Um zehn Uhr haben Eric und Andry in ihrer winzigen provisorischen Küche, die aus einer halboffenen steinernen Hütte mit Wasseranschluss und Feuer besteht, leckeres Abendessen zubereitet. Es gibt Würstchen, Reis und megaleckeres Gemüse. Am Rande unserer Essenshütte versteckt sich eine kleine Fledermaus. Gris und Choa haben ihren erfolgreichen Fahrtag bereits ausgiebig begossen, und zusammen mit Josés Gitarre und Dimbys Gesang bilden sie eine sehr laute kleine Band. Schlafen wird schwierig. Noch nach Mitternacht schallen alle möglichen Pflanzungen auf den „Plantaaatioooooons“ über den Zeltplatz. Das Lied scheint nur zu viel Rum zu funktionieren.