Als die Sonne auf geht, bin ich längst wach. Neuer Tag, neue Tour! Ich bin schon seit drei Wochen auf Madagaskar, eigentlich drei einhalb, und ab morgen geht es in den Norden. Heute kommen noch ein paar Leute an, die mitreisen werden. Heute Nacht sind bereits einige altbekannte Freunde und ein paar neue Gäste angekommen, die meisten habe ich aber nicht mehr mitbekommen.
Das Frühstück vor Sieben ist eher einsam, nur Tanala und ich sind im Restaurant, und Mampiou, eine der Angestellten. Ich will heute zum Vogelsee, Tsarasaotra, und mir das Gelände mal anschauen. Und vielleicht ein paar Vögel fotografieren? Davon soll es dort viele geben. Ich laufe in den Gang zu Zimmer Nr. 3 und klopfe an die Tür. „Ines? Bist du wach?“ Ein eher müdes „Jaaaaa….“ Ertönt. „Willst du mit zum Vogelsee?“ Möchte sie. Also warten wir noch kurz auf Ines – die einzige, von der ich sicher weiß, dass sie an Vögeln interessiert ist – und fahren mit Mamy in Richtung Innenstadt Antananarivos. Aus einer der üblichen, laut belebten Straßen biegen wir in eine gespenstisch ruhige Villengegend ein. Ein Mann an einer Schranke lässt uns ein. Die Bürgersteige sind sauber, kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Riesige Villen in noch größeren Gärten reihen sich entlang der Straße, teils versteckt hinter riesigen Zäunen. Autos fahren keine, aber Bodenschwellen gibt es. Die Villen sehen alle frisch renoviert aus. Nobel geht die Welt zu Grunde! Solche Viertel gibt es also auch in Tana. Wir wollen eigentlich zur Tana Water Front, einer Art Shoppingcenter. Hier liegt das Office, in dem man die Tickets für den Vogelsee holen muss. Es wäre ja zu einfach, direkt an den See zu fahren und dort ein Ticket zu kaufen! Offiziell geht das nicht. Leider hat das Shoppingcenter samstags geschlossen, teilt uns ein netter Wachmann in Warnweste auf dem Parkplatz mit. Also fahren wir doch direkt zum See. Der liegt anscheinend genau gegenüber Park Alarobia. Wir parken direkt an der Straße, an einem großen Tor in einer Backsteinmauer. Ein dickes Metallschloss liegt um die beiden Flügel des Metalltores. Mamy geht an das Tor und fragt einen kleinen, mit hellblauem Hemd ausgestatteten Mann, ob wir rein dürfen? Ja logo dürfen wir. Soviel zu „ohne Tickets geht hier nix“. Der Typ in der winzigen provisorischen Hütte am Eingang schließt das Schloss auf, entfernt die Kette und legt sie nach uns gleich wieder vor. Könnte ja am Ende noch jemand rein wollen…? Dann will er uns handschriftliche Tickets ausstellen, auf einem Notizblock. Ich lehne dankend ab.
Direkt vor uns liegt bereits der See. Besonders groß ist er nicht, man kann auf die Stadt sehen und laut ist es hier – es liegt eben mitten in Antananarivo. Wir folgen einem Pfad rechts um den See herum. Der Weg ist ziemlich matschig. Ein paar Enten und Gänse dümpeln in der Nähe des Ufers herum. Zum Glück taucht auch ein kleiner Eisvogel auf, und posiert für uns. Überhaupt, für Eisvögel ist der See günstig – wir sehen etliche, und können sie am Ufer gut verfolgen. Ich laufe gemütlich am Ufer entlang, um dann über eine kleine Brücke zu laufen, hinter der noch ein kleinerer See liegt – eher ein Teich. Ein altes Backsteinhaus mit Galerie steht einsam auf einer Wiese. Es ist die Sommerresidenz von Ranavalona III., der letzten Königin der Merina Ende des 19. Jahrhunderts. Ich gehe neugierig näher. Leider scheint der kleine Palast zu verfallen. Die Holzgalerie im ersten Stock zerbröselt, Fenster fehlen ganz, im Inneren liegt Müll. Schade. In zwei anderen Backsteinhäuschen, ähnlich alt, wohnen Leute und grüßen freundlich, als wir vorbeilaufen.
In einem großen Bogen führt der Pfad um ein paar Villen mit Pferdeweiden, und dann wieder zurück ans Seeufer. In einem Gebüsch entdeckt Tanala noch ein Furcifer oustaleti, die können wirklich überall leben. Leider fahren auf dieser Seite des Sees alle paar Minuten Autos vorbei. In Ruhe Vögel beobachten ist hier eher schwierig. Ganz beeindruckend sind die Vögel auch nicht, außer den allgegenwärtigen Reihern, Enten und Gänse gibt es kaum etwas zu sehen. Na gut, war einen Versuch wert. Die kleine Insel in der Mitte des Sees ist zwar voller Vögel, allerdings kommt man nicht näher heran. Nach der kleinen See-Umrundung verlassen Mamy, Tanala, Ines und ich Tsarasaotra wieder.
Am Nachmittag geht es zurück ins Raphia. Ein kleines Grillfest ist geplant. Réné und Julia aus Dresden sind inzwischen angekommen, Réné allerdings ohne Gepäck. Das befindet sich angeblich auf dem Weg, in irgendeinem Flieger aus Nairobi. Mamy und ich fahren zum Flughafen, um mit Réné sein Gepäck und gleichzeitig meine Schwester Chrissi abzuholen. Als wir zurück kommen, ist das Grillfest schon in vollem Gange: Mamys Frau und seine Kinder sind da, Dimby ist mit dem Nachwuchs und José vorbeigekommen, Eric ist mit Familie gekommen, Jocelyn, Christian und Rapha sitzen ebenfalls am langen Tisch im Garten. Markus ist inzwischen auch mit dem Flugzeug aus Deutschland eingetrudelt. Andry und Eric tischen jede Menge Salate auf, Samboza, Frühlingsrollen, kleine panierte Schnitzel und Hühnchensticks im Teigmantel. Es wird eine fröhliche Runde mit viel THB, und das Essen ist mega lecker. Erst gegen neun löst sich die fröhliche Grillgesellschaft langsam auf. Der Stromausfall, der seit dem Mittag andauert, hat niemanden gestört. Nur dass es mangels Pumpe auch kein Wasser gibt, das ist ein bisschen blöd.