In der Frühe brechen wir die Zelte im Montagne d’Ambre ab. Die Sonne scheint wie immer vom blauen Himmel, als unsere Geländewagen sich – diesmal im Hellen – den Weg hinunter nach Ambohitra kämpfen. Im Hellen sieht der Weg viel harmloser aus, auch wenn ich einige der Löcher nach wie vor als „definitiv nicht befahrbar“ einstufen würde. Einige kleine Renault-4-Taxis kommen uns entgegen – es ist mir wirklich ein Rätsel, wie sie es den Weg zum Camp nach oben schaffen. Hinter Joffreville geht es die lange, lange Asphaltstraße wieder nach unten, wir fahren Richtung Antsiranana. Schon kurz hinter Joffreville hält Dimby plötzlich an einem kaputten Zaun am Straßenrand. Chamäleons! Ich springe aus dem Auto und wir finden ein junges Pantherchamäleon-Männchen und ein Furcifer oustaleti, beide jedoch sehr aufgeregt und kaum vernünftig zu fotografieren. So lassen wir sie schnell wieder in Ruhe, setzen sie zurück ins Gebüsch und fahren weiter.
Diego Suarez, auf madagassisch Antsiranana, ist extrem staubig. Überall schon lange vor der Stadt weht roter Staub ins Auto, kleine Staubkörner irritieren meine Augen und peelen die Haut. Der Wind weht richtige Sandböen über die Wege. Die Gegend drumherum ist eher kahl, ein bisschen Gebüsch, viele leere Flächen, man kann das Meer sehen. In Antsiranana parken wir auf einem länglichen Parkplatz auf der linken Straßenseite unten auf der Rue Colbert. Wir steigen aus und warten auf die übrige Gruppe. Bis alle da sind, werden wir mehrfach von einem jungen Mann, der Steinschleudern verkauft, angesprochen. Schließlich kauft Tanala eine der hellhölzigen Flitschen mit stabilem Lederband – und erhält dazu so große Kiesel als Geschosse, dass man leicht jemanden damit töten könnte. Mehrere Frauen bieten uns direkt auf der Straße T-Shirts mit Madagaskar-Aufdrucken an, meist Lemuren oder Baobabs, aber fast alles die gleichen Motive.
Wir bummeln gemütlich die Rue Colbert nach oben. Die Häuser sind alle noch im Kolonialstil. An etlichen Souvenirshops kommen wir vorbei, die T-Shirts, Röcke, Tops, Taschen und andere Andenken an Madagaskar verkaufen. Ich kaufe nichts bis auf ein Paar Flip-Flops mit Schildkröten-Druck, die ich sogar in einem kleinen Netz bekomme. In einem kleinen, hellen, aber vollgestopften Laden sehe ich auch zum ersten Mal auf Madagaskar Postkarten. Man könnten sie sogar verschicken, muss sie dazu aber sofort schreiben und gleich hier im Laden wieder abgeben. Das ist mir dann doch momentan zu doof – ich bleibe also dabei, dass es von mir keine Ansichtskarten aus Madagaskar geben wird. Am oberen Ende der Rue Colbert warten die Jungs mit unseren Autos. Kurz noch machen wir eine Pause auf einem Platz mit hellem Sand und grünen Holzbänken. Gegenüber ist ein hübscher, mit dunklem Holz eingefasster Souvenirshop, den ich mir mal von innen anschaue. Hier ist das Angebot deutlich hübscher – oder es trifft zumindest mehr meinen Geschmack. Die bunt bemalten Tücher vor der Tür gefallen mir am besten. Man merkt jedoch schnell, dass es sich hier um ein reines Touristengeschäft handelt, denn die Preise sind selbst für Europäer nicht günstig. Wir steigen in die Autos und weiter geht es nach Ramena.
Der Weg von Antsiranana nach Ramena führt an der Küste entlang. Irgendwo halten wir am Straßenrand, um die fantastische Aussicht über die strahlend türkisgrüne Bucht zu genießen. Neben uns liegt eine Baustelle, vor uns das Meer und der Strand… und Unmengen Müll. Das Bild könnte aus dem Paradies stammen, solange man nicht unter die eigenen Füße schaut. Madagaskar hat seinen eigenen Zuckerhut, eine kleine Insel in der Mitte der Bucht vor Diego. Rechts in der Ferne sieht man, wie der Wind den Sand nach oben wirbelt und durch die Luft treibt. Als wir den Weg wenig später fahren, kurbeln wir bereits vor Durchqueren der sandigen Ebene schnell alle Fenster im Auto hoch. Paniert werden will keiner! Kurz vor Ramena halten wir plötzlich an einem Holzzaun rechts der Straße. Dahinter, vielleicht 20 Meter vom Weg entfernt, stehen schöne, kleinere Baobabs. Sie gehören zu einer sehr seltenen Art von Affenbrotbäumen, Adansiona suarezensis. Anto möchte unbedingt Fotos davon machen. Ich steige nicht aus, ich bin müde und so sonderlich spannend ist ein Holzzaun mit Bäumen dahinter nun wirklich nicht. Aber wozu sitze ich auf der Beifahrerseite, ich kann auch so noch ein Foto machen. Die sanft gewundene Straße führt weiter am Meer entlang, bis wir schließlich nach Ramena kommen.
Ramena ist ein kleines Fischerdorf direkt am Strand. Wir biegen in einen abschüssigen Weg ein, der halb aus Asphaltresten, halb aus Schotter besteht. Links in eine Einfahrt, schon stehen wir im Innenhof des Hotels „Casa en Falafy“. Orangerote Wände begrüßen uns. Wo der eigentliche Eingang ist, sehe ich erstmal nicht und bleibe einfach bei den Autos stehen. Irgendwann taucht Tanala wieder auf. Ich habe wie er ein Bungalow im unteren Bereich des Hotels, direkt am Pool und neben dem Restaurant. Die anderen sind etwa 30 Meter die Straße hoch auf der anderen Straßenseite untergebracht, in sehr hübschen Bungalows um einen ebenso schicken Pool herum. Mit Aussicht auf’s Meer.
Wenig später erfahren wir, dass die Hotelbetreiber keine Räume für die Jungs bereitgestellt haben. Jetzt sollen sie zu neunt in einem Bungalow übernachten. Das geht ja mal gar nicht! Kurzerhand ziehen Patrick und Dimby in mein Bungalow um, während ich zu Tanala ziehe. Betten sind ja reichlich in jedem Bungalow vorhanden, da kriegen wir schon alle unter.
Im Erdgeschoss des Restaurants lasse ich mich in die bunt gepolsterten, tiefen Sessel sinken. Über der Theke befinden sich dicke, hohe Gläser, die mit verschiedenen Sorten Rum gefüllt sind. Kokos, Ananas, Vanille, Schoko… sich da durchzuprobieren dürfte sehr lecker sein! Zum bestellten THB bekommen wir selbst gebackene Kartoffelchips an den niedrigen Tisch, die sogar noch warm sind. Sehr, sehr lecker! Abendessen gibt es im ersten Stock des Haupthauses an einer langen Tafel. Ich komme letztlich nicht mehr dazu, mich tatsächlich durch die vielen Rum-Sorten zu probieren. Schon beim Kokosrum bleibe ich stecken – der ist aber auch wirklich richtig gut.